LINKE KULTUR KRITIK

Miezekatze

Sauer macht lustig!

Der Text, auf den ich mich beziehe, wurde von der beatagentur in der Interim Nr. 427 vom 10.7.97 veröffentlicht und kritisiert diejenigen, die ihren Protest gegen die total durchkommerzia-lisierte Love-Parade in einer antikommerziellen gegen-Kultur-Veranstaltung namens "Hate-Parade" artikulieren wollten. Die Kritik wird im Namen eines eigenen Vorschlags geäußert, nämlich an einem Gegenumzug teilzunehmen, der sich gegen drei verschiedene Ziele richtet, die Kommerzialisierung der Love-Parade, die Schließung des Bunkers und dem Ausverkauf des Scheunenviertels. (Die TAZ vom 14.7. findet für diesen Gegenumzug, der am 12.7. tatsächlich stattgefunden hat, bissige Worte:,per Haß (...) ist unter seiner Kappe nicht nur ein Hedonist, er ist auch vom gleichen Stamm." Für Sonnenschein im Herzen oder gegen Kommerz, egal was draufsteht, die Praxis ist die gleiche.)

Die Kritik
Anhaltspunkte der Kritik der beatagentur am Hate-Parade-Aufruf sind:

  1. daß die gealterte 'Linke' (nie, werde ich aufhören, zu fragen, wer das eigentlich sein soll ... !! ) sich von der neuen 'Bewegung', als die die beatagentur-Leute die Teclmo-Szene ausmachen, abgehängt fühlt, nicht versteht, was da abgeht und deshalb herummäkelt,
  2. daß die alten 'Linken' sämtlich selber rauchen (= am Kommerz hängen),
  3. daß ihre Kritik in letzter Konsequenz auch Rockkonzerte treffen müßte, da sie sich auf Feiern 'in diesen Verhältnissen' schlechthin beziehe,
  4. daß die 'Linke' (ha!) in Deutschland nix von Kultur versteht und z. B. den Musikstil Underground nicht kompetent gegen Integration in den Kommerz verteidigt hat (= Nicht- Verhalten) und schließlich
  5. mit dem inkompetenten (gleich-setzen von Techno-Musik mit Technik - Industrie - Kapitalismus.

Der Schluß: Linke Kulturkritik nähert sich rechter Ideologie. Im Titel werfen die beatagentur-Leute den Hate-Parade-VertreterInnen auch noch Verkrampftheit vor, was darauf hinweist, daß die beatagentur - wie unser Bundespräsident für 'Unverkrampftheit' plädiert.
Subversion? Meine Kritik an dieser Kritik richtet sich selbstverständlich nicht gegen die Schlauheit der auf den Höhenkämmen der aktuellen Kultur surfenden beatagentur-Leute. Sie richtet sich dagegen, daß die GenossInnen es sich verflucht leicht machen, indem sie die von ihnen angetippten schlauen Ciedanken nicht zuende denken. Ihr Standpunkt, obwohl mit aufgeblasenen Backen vorgetragen, ist nämlich um keinen Deut weniger hilflos als der der Hate-Parade-InitiatorInnen: Wer die kapitalistische Formbestimmtheit eines ansonsten 'reinen' Inhalts Kultur, hier Techno, kritisiert, und wer glaubt, diesen Dealt protestierend zurückgewinnen zu können, ohne sich dabei Rechenschaft über den Inhalt dieses Inhalts abzulegen, nämlich darüber, was Techno denn an Befreiungspotential zu bieten hätte, der muß scheitern. Daß Techno - wie Himbeereis und Sex - Lust verursacht, ist noch kein subversiver Dealt. Auch daß Techno - wie Bommerlunder - Rausch verursachen kann, steht noch nicht für Subversion. Also, was reklamieren die beatagentur-Leute eigentlich im Namen welcher Perspektive, wenn sie Techno vor den gegenkulturellen Technokritikerhuien verteidigen? Und wieso verkrampfen sie sich eigentlich so sehr angesichts des kleinen Wörtchens "Haß'"? Als ich am Samstag die Fernseh-Feier des gratis-Sexismus von umsonst und draußen präsentierten Ärschen und Brüsten und wieder Ärschen und wieder Brüsten und gelegentlich mal einem dekorativen Schwanz gesehen habe, da hab' ich schon so etwas in dieser Art empfunden.

Subversion!
Würde Techno die Assoziation der Verschieden- und Andersartige befördern, hätte Techno auch subversive Kraft. Würde Techno eine Art von Lust gewähren, die tatsächlich die Grenzen berührte, mit denen im heutigen, ultramodernen Kapitalismus säuberlich die Einschließung der Jungen, Schönen, Leistungsbereiten, Verwertbaren und die Ausschließung der Fremden, der Alten, Schwachen, Kranken, derer, die nicht 'unverkrampft' sind, organisiert wird, ja dann ...

Politik der Gleichschaltung
Miezekatze Es wäre ja auch alles gar nicht so ärgerlich, wenn Techno nicht 'politisch' daherkäme. Wenn die jungen RaverInnen sich einfach auf der gleichen Ebene wie die sonstigen KonsumentInnen von Pop schlicht amüsieren würden. Dann wäre Techno einfach eine weitere Form von Konsum, wie das Rauchen und Berliner Weiße Trinken, in die Badeanstalt gehen, etc. Kein Problem! Auch dies geschieht massenhaft, und niemand, auch nicht 'die Linke' regt sich eigens darüber auf. Das Problematische, das Widerliche, das Unverdauliche an dieser "Bewegung" ist aber für mich, daß sie sich als 'politisch' darstellt, daß sie behauptet, den öffentlichen Raum als öffentlichen Raum mit Öffentlichkeit zu erfüllen. Was soll das für eine 'politische' 'Öffentlichkeit' sein, die ohne Vermittlung, ohne Auseinandersetzung, nur durch einen zentral durchgerechneten Beat gesteuert eine Verschmelzung ("love") in Aussicht stellt, die jede anstrengende Aufmerksamkeit gegenüber den konkreten Anderen überflüssig zu machen verspricht? Sie artikuliert sich in paramilitärischer Sprache ("Parade" - selbst der rheinische Karneval hält keine 'Paraden' ab, sondern "Umzüge") und soll im nächsten Jahr auf allen fünf Kontinenten stattfinden. Ein Beitrag zur Monokulturalisierung dieses Planeten. Die der Love-Parade eher günstig gestimmte TAZ zitiert eine junge Frau mit der Äußerung:,paß es um nichts geht, ist eigentlich das Politische." Na herzlichen Glückwunsch! Das ist dann im wahrsten Sinn des Wortes eine wenn auch hübsch bunte - gleichgeschaltete Öffentlichkeit. Ein großes Come-together von lauter Monaden, die sich wechselseitig als Verstärker benutzen, dabei aber überhaupt nichts miteinander machen: keine Auseinandersetzung, kein Streit, keine Frage, kein Gegenstand. Die Love-Parade ist das für den neoliberalen Kapitalismus vollständig passende 'Opium' des jüngeren Teils 'des Volkes'.
Surrogat für Befreiung und Assoziation. Wenn Ihr, beatagentur-Leute, einen Kampf um kulturelle Hegemonie führen wollt, dann müßt Ihr Euch erst mal fragen, für was denn Eurer Meinung nach wer diese Hegemonie erlangen sollte. Kurz: Ihr solltet Euch fragen, was eigentlich, außer unverkrampft und cool-Sein, Ihr wollt!

Giulietta

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