Komm in den Dschungel!

Sicher habt Ihr mitbekommen, daß es bei der Tageszeitung junge Welt heftig gekracht hat. Ursache des Streits war das plötzliche Eigentümergebahren des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers des Verlages 8. Mai, Dietmar Koschmieder. Koschmieder wollte ohne jede Diskussion mit den übrigen Mitarbeiterlnnen der jW eine Umstrukturierung in der Chefredaktion durchdrücken, an deren Ende eine Aufwertung DDR-nostalgischer und orthodox-marxistischer Positionen stehen sollte. Doch statt über Inhalte und Strukturen zu diskutieren, wollte Koschmieder Köpfe austauschen. Als die überwiegende Mehrheit der 44 angestellten und festen freien Mitarbeiterlnnen eine pseudodemokratische Abstimmung nach dem Motto "entweder Chefredakteur Klaus Behnken geht, oder ich (Koschmieder)" boykottierte, weil die meisten lieber Über inhaltliche Konzepte reden wollten, erklärte sich Koschmieder kurzerhand trotzdem zum Wahlsieger (weil ja von 17 Wahlbeteiligten 14 für seinen Vorschlag gestimmt hatten) und entließ den Chefredakteur und enthob die übrige Chefredaktion ihres Amtes. Da platze der Redaktion der Kragen. Zwei Jahre hatte man sich aufgerieben, alles in das Projekt gesteckt (Herzblut, Geld und jede Menge Zeit und Kraft), immer der Auffassung, daß es die Zeitung aller Mitarbeitenden sei. Auf das Sonnenkönigsgebaren Koschmieders reagierte die Redaktion mit Streik. 16 Tage wurde der Betrieb besetzt. Die Gruppe der rund 20 Streikenden setzte sich aus völlig verschiedenen Leuten zusammen: Antideutsche, Autonome, Antifas, PDS-Nahe, pop-moderene Hedonistlnnen, kritische Marxistlnnen, bürgerliche Linke - ein wahrhaft bunter Haufen. Nicht eine gemeinsame politische Überzeugung verband die Journalistlnnen im Arbeitskampf, sondern die Lust, gerade in dieser Vielfältigkeit weiter aufeinanderzuprallen und die Debatten in der Zeitung widerzuspiegeln.

Auf der anderen Seite, jene die jetzt noch notdürftig so etwas wie die junge Welt produziert, stehen DKP-Mitglied Koschmieder, der verklärte DDR-nostalgische Verschwörungtheoretiker Holger Becker, der ultraorthodoxe KPÖ-Mann Werner Pirker, die KPF-Aktivistlnnen Sybille Albrecht (ehemals Vopo) und Eckehard Schlauß (ehemals HVA), der ehemalige Stasi-Major in der Abteilung Terrorismusbekämpfung im Außeneinsatz, Klaus Meinel (jetzt KPF), als neuer Star-Autor der ehemalige SED-Hauspropagandist Harald Wessel und last but not least der allseits beliebte Ober-Sexist Wiglaf Droste. Alles Zusammen handgreiflich unterstützt von der "Security" der Roten Söckchen, einer von der PDS-Friedrichshain finanzierten Jugendstruktur der dortigen PDS.

Auf schäbigste Art und Weise wurde von einer bestimmten politischen Fraktion ein Projekt dar Unken okkupiert und zerstört.

Die junge Welt ist tot, es lebe die Jungle World

Die von Koschmieder wegen des Streiks entlassenen jW-Mitarbeiterlnnen - darunter praktisch die komplette Redaktion - will, obwohl der Frust, die Enttäuschung, die Verbitterung enorm ist - oder auch gerade deshalb - nicht einfach von der politischen und publizistischen Buhne abtreten. Bereits einmal wurde eine 48eeitige Jungle World als Entgegnung auf die immer mehr volkstümelnde junge Welt von Koschmieder/Becker herausgegeben. Nun soll aus dem Projekt eine Wochenzeitung werden. Am Mittwoch, den 25. Juni, erschien in Berlin an den Kiosken und in den anderen Städten in linken Buchläden, Infoläden und ausgewählten Bahnhofskiosken die zweite Ausgabe. Ab Mitte Juli soll das Zentralorgan des Dschungels dann w5cheatlich erscheinen. Als Informationsangebot und als Treffpunkt und Diskusionsforum aller linker Ansätze. Das Projekt wird zur Zeit nur aus ein paar ganz wenigen Spenden und den letzten Kröten der nun verdienstlosen ex-jW-Mitarbeiterlnnen finanziert. Es wird nur dann eine Chance haben, wenn in m5glchst kurzer Zeit m5glchst viele Abos geschaltet werden. Denn Kioskverkäufe bringen der Jungle World finanziell leider so gut wie gar nichts. Ein Abo zu schalten, ist eine bewußte Erklärung gegen den Koschmieder-Putsch in der jungen Welt und eine Entscheidung f0r eine pluralistische aber nicht beliebige linksradikale Wochenzeitung. Und die ist nachdem die junge Welt passt ist, nötiger denn je. Schaltet Abos, macht Werbung, organisiert Veranstaltungen mit Redakteurlnnen.

Einige Freundlnnen des Dschungels

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