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Löcher in der Mauer
Materialiensammlung
DDR 1989

Löcher in der Mauer

Sonderschwerpunkt der Vierteljahreszeitschrift westberliner info Nr. 4/89 v. 27.12.1989

Die westberliner und westdeutsche Linke hat von der Geschichte wiedermal ein Politikfeld zugewiesen bekommen, auf dem sie sich tummelt und sich dabei in die Tasche lügen kann, daß ihre darüber verbreiteten Weisheiten erneut dem besseren Teil der Menschheit zugute kämen. Und dies würde sich für die "Linke" letztendlich auch auszahlen. Sie würde wieder zu einer "gesellschaftlichen Kraft" werden - so die mehr oder minder offen formulierte Hoffung dieser Interventionen.

Das Spektrum der gegenwärtig vertretenen "linken" Meinungen variiert im Kern nur um die Parole "Hände weg von der DDR". Und hier zeigt sich - wie so oft in der letzten Zeit - ein gefährlicher Voluntarismus und eine Geringschätzung des Werts von gesellschaftlicher Analyse. Ohne ideologische Bauchschmerzen ist der linke Mensch mit allen "oppositionellen" Kräften in der DDR solidarisch, während er die banale Frage wer/wen, dh. die Frage nach der Klasse gar nicht stellt. Und von daher ist es ganz gleich, ob es sich um das Neue Forum handelt, das sich mit den BRD-Kapitalisten trifft, um die zukünftige Joint-venture-Politik für die DDR zu besprechen (siehe Mopo vom 26.11.89), oder um die DDR-Sozialdemokraten von der SDP, bei denen die Spitzenfunktionäre der BRD-Sozialdemokratie antichambrieren (und umgekehrt), um Weichen der künftigen Zusammenarbeit zu stellen, falls man(n) 1990 in West und Ost die neue Regierung stellt. So forderte z.B. die von Trotzkisten und "Exstalinisten" gebildete VSP in ihrer "Soz" vom 23.11.89: "Eine revolutionäre demokratische Bewegung wie in der DDR muß bedingungslos unterstützt werden". Und der BWK entblödete sich nicht, in seiner Ausgabe der "Politischen Berichte" 21/89 die Ereignisse in der DDR, die die Löcherung der Mauer begünstigten, für "Klassenkampf" zu halten.

Arbeitsthesen

Vermittelt über Diskussionen in der Arbeiterinnenversammlung kam die wi-Redaktion zu anders gelagerten Einschätzungen der jüngsten Entwicklung. Wir stellen sie in diesem Sonderschwerpunkt in Thesenform vor, in der Hoffnung mit ihnen zu einer anderen - auf die Klasse bezogenen - Sichtweise dieser Vorgänge beizutragen. Diese Thesen sind keine endgültigen Resultate, sondern der Versuch, mit den gängigen Denkschablonen zu brechen. Sie sind in der jetzigen Gestalt noch unzulänglich und überarbeitungsbedürftig. Darum wollen wir sie Arbeitsthesen nennen, wo die Argumentation mit ergänzendem Material versehen ist.

Insgesamt liegen dem Sonderschwerpunkt folgende Behauptungen zugrunde:

  • Die Massendemonstrationen und Straßenschlachten in der DDR kamen für die Teile der SED-Führung nur zu früh, die selber sowohl das politische als auch das ökonomische System der DDR aus der inneren Notwendigkeit eines gescheiterten Sozialismusmodells reformieren wollten. Dies hätte eine Löcherung der Mauer eingeschlossen.
  • Für diese SED-Reformpläne ist eine Arbeiterinnenklasse zwingende Voraussetzung, die bereit ist, sowohl auf ihre "zweite Lohntüte" (Subventionierung der Subsistenzmittel) als auch auf die "Sicherheit" des Arbeitsplatzes zu verzichten, sowie Lohneinbußen und intensiviertere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.
  • Die Bewegung auf der Straße, die sich der "Fluchtbewegung" geschickt als Argumentationshilfe bediente und die von den überwiegend neuen Mittelschichten der DDR ausging, erfaßt Teile der Arbeiterinnenklasse nur außerhalb der Betriebssphäre, während es in Betrieben dagegen weitgehend ruhig blieb, weil die DDR-Kolleginnen gar keinen Reformbedarf darin sehen, der auf Verschärfung ihrer Arbeitsbedingungen hinausläuft.
  • Das Forderungspaket der DDR-Oppo-Gruppen besteht nur aus politischen Forderungen, die darauf ausgerichtet sind, eine bürgerliche Demokratie westlicher Prägung zu errichten. Da keine eigenen ökonomische Modellvorstellungen vorhanden sind, wird dieser weiße Fleck mit der Worthülse Marktwirtschaft übertünscht oder bei der SED abgeschrieben.
  • So ergibt sich, daß auf der einen Seite die SED an der Arbeiterinnenklasse nur als "Fußvolk" einer Reformpolitik ebenso interessiert ist wie auf der anderen die Basisgruppen und Parteien der neuen DDR-Mittelschichten es sind. Deswegen taucht das Proletariat bei ihnen nur dann als politischer und sozialer Bezugspunkt auf - und zwar negativ besetzt, wenn die gegenwärtige Leistungsunfähigkeit der DDR-Wirtschaft kritisiert wird.
  • Die Öffnung der Grenze war auch aus SED-Sicht zwingend geworden, kann man so die Konsumansprüche der DDR-Bürger vom eigenen Staat weg auf den Westen umlenken. Hardliner -wie Honnecker, Mittag Tisch und Co. - mußten zwangsläufig abserviert werden. Der Nachtrab der SED gegenüber den Forderungen der Volksmassen nach Öffnung der Grenze, muß im Kampf zweier Linien in der SED gesucht werden. Hier liegt die Vermutung nahe, daß die Honnecker-Fraktion gehofft hatte, auf der Basis des Status quo zu Erneuerungen der DDR-Wirtschaft zu kommen und dafür die Entmachtung Gorbatschows brauchte - und dieses Ereignisse trat trotz aller inneren Schwierigkeiten der SU nicht ein.
  • Sollten die Schubladenpläne des jetzt an die Macht gekommenen SED-Reformflügels, der sich gegen die SED-Altherrenriege durchzusetzen vermochte, demnächst zu greifen beginnen, wird sich die Lage des DDR-Proletariats rasant verschlechtern. Die sozialen Schichten, die sich über das Forum und andere Gruppierungen heute politisch ausdrücken, werden die sozialen Gewinner dieser Reformpolitik sein.
  • Für das BRD-Kapital (vor allem Großkonzeme und Banken) zeichnet sich gegenwärtig eine Phase der Hochkonjunktur ab, in der auf der einen Seite die Belegschaften gespalten und durch Aus- und Übersiedlerinnen neu zusammengesetzt werden und wo auf der anderen Seite ein immenser Bedarf an Anlagesphären für das akkumulierte Kapital besteht. An dieser Stelle beginnen die Interessen der neuen SED-Führung und DDR-Basisgruppen, sich auf die Interessen des BRD-Kapitals hinzuzubewegen. Das Konzept BRD und DDR als "Vertragsgemeinschaft" (Regierungserklärung Modrow) macht aus der DDR eine Joint-venture-Domaine und eröffnet dem BRD-Kapital ein neues "Billiglohnland". Für die SED-Reformer kämen auf diesem Wege die fehlenden Finanzierungmittel des erträumten Umbaus der DDR in eine "sozialistische Marktwirtschaft" ins Land. Gleichzeitig spekuliert die SED-Führung auf Import weiteren, nichtdeutschen Kapitals.
  • Sollte diese Entwicklung greifen, werden die Karten des EG-Projekts 92 völlig neu angemischt werden. Für die gegenwärtige BRD-Regierung ist die DDR nachwievor Inland, für die EG soll es Ausland bleiben. Dies sichert dem BRD-Kapital ein Monopol auf den DDR-Markt und bildet gleichsam eine strategisch günstige Ausgangsbasis für das Aufrollen der "Ostmärkte". Mit dem "Berliner Parteitag" hat die SPD den Schulterschluß zur Bundesregierung vollzogen.

Rückblicke auf 1971 und davor

Sowohl von DDR-Seite wie auch in der einschlägigen BRD-Literatur wird der VIII. Parteitag der SED im Jahre 1971 zum Dreh- und Angelpunkt für die derzeit noch vorhandene und in die Krise geratene Struktur der Planwirtschan der DDR erklärt. Der Stellenwert dieses Parteitages für die DDR-Entwicklung erschließt sich allerdings nur durch einen zusätzlichen Rückblick. Dies wollen wir hier kursorisch zu leisten versuchen.

Der Gründung der DDR 1949 war eine gut dreijährige Phase der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung vorangegangen, deren Strukturen zunächst auch nicht durch die Staatsgründung berührt wurden. Enteignungen und Verstaatlichungen hatte es nur im Bereich der Banken und des Versicherungswesens gegeben. Großbetriebe, die gemäß - der Potsdamer Beschlüsse als Kriegsverbrecher eingestuft worden waren, wurden ebenfalls zu VEBs, wenn sie nicht von der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen wurden. Die Bodenreform des Jahres 1945 hatte das "Junkerland" in "Bauerhand" überführt, worunter nur eine sehr geringe Zahl zu Staatsbetrieben wurden. Der Handel war zwar staatlich überwacht, aber die Besitzverhältnisse blieben wie auch im Handwerk privatkapitalistisch.

Die II.Parteikonferenz der SED 1952 beschloß nach Auswertung der volkswirtschaftlichen Entwicklungsdaten, diese Antifa-Maßnahmen als "planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus" fortzusetzen. Priorität sollte der Ausbau der Schwerindustrie erhalten. Hierin wurde die "materiell-technische Basis" für die Entwicklung des Sozialismus unter Leitung der "Arbeiter- und Bauernmacht" und der SED als "Partei neuen Typus" gesehen. Hinter diesen programmatischen Formulierungen stand die Sozialismuskonzeption der Sowjetunion, wie sie unter Stalin seit 1929 in der SU entwickelt worden war. In Abgrenzung zu Bucharin hatte Stalin die regulierende Funktion des sozialistischen Staates für den Markt durchsetzen können. Für ihn war dies eine rechte Abweichung (siehe: Fragen des Leninismus S. 450f),

eine Abweichung von der Linie der Klassiker (Marx, Engels, Lenin)in der Frage der Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft. In seiner 1952 veröffentlichten Schrift "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" hatte er das Problem des Marktes im Sozialismus erneut - jedoch unter der Frage des Wertgesetzes - behandelt.

Die 60er Jahre waren durch die unter Chrustschow ausgegebene Parole von der Vertiefung des Marktgeschehens statt Vervolkommnung der Planwirtschaft geprägt, ergänzt mit Losungen von der erhöhten Selbständigkeit und Rentabilität der Betriebe und von der Hebung der materiellen Interessiertheit. Gemeint war hier, höhere Leistung dadurch bei den Arbeitern zu stimulieren, indem ein größerer Anteil am Sozialprodukt in Aussicht gestellt wurde. Bekanntlich ging diese Rechnung nicht auf. Die gefundene Erklärung hieß: die wissenschaftlich technische Revolution und die Produktivkraft Wissenschaft müssen richtig gemeistert werden.

Alle diese Veränderungen des SU-Selbstverständnis einer sozialistischen Wirtschaft wurden in der DDR mitgetragen. In diesem Sinne wurden zwar bis zu den 70er Jahren sukzessive alle Wirtschaftsektoren der sozialistischen Planwirtschaft unterstellt und das Privateigentum an Produktionsmitteln gegen Nullprozent heruntergefahren, aber gleichzeitig wurde die Abkehr vom Einfrieren des Wertgesetzes vollzogen.

Der Anteil des sozialistischen Sektors in der Volkswirtschaft der DDR 1973 in Prozent - SU in Klammern:

Produktionsgrundfonds: 99,4 (100)
Nationaleinkommen: 95,2 (100)
industrielle Bruttoproduktion: 96,6 (100)
Bruttoproduktion: 93,7 (100)
Anbaufläche: 94,4 (100)
Einzelhandel: 84,4 (100)

Quelle: R.Rilling, Sozialismus in der DDR, Bd.ll, Köln 1979, S.222


Exkurs: Wertgesetz und Sozialismus

Im Marxschen Sinne reguliert und proportioniert das Wertgesetz die kapitalistische Produktionsweise. Indem der Wert einer Ware - vermittelt über den Preis - sich erst im Austausch realisiert, erfahren im Kapitalismus die Produktionsagenten im Nachhinein, ob der Arbeitsprozeß auch zum Wertschöpfungsprozeß wurde. Da der Markt mit seinen Mechanismen der Konkurrenz gleichsam post festum den Produktionsagenten eine Revenue zuweist und dem Kapitalisten Gewinn (realisierten Wert und Mehrwert) zuführt, entstehen Krisen, weil nicht jeder Kapitalist in der Lage ist, sein vorgeschossenes Kapital (erhöht um den Mehrwert) im Austausch zurückzuerhalten. Infolgedessen polarisiert sich der gesellschaftliche Reichtum, während ein Teil der geleisteten Arbeit aus der Sicht des Kapitalisten als unnütz erscheint. Folglich mußten im Sozialismus, verstanden als Gesellschaftsform, in der die Werktätigen über den Arbeitsprozeß selber verfügen, das Wertgesetz und der Ort seines hauptsächlichen Wirkens - der Markt - eingeschränkt, zurückgedrängt und unter der Vorstellung des Entfaltens kommunistischer Verhältnisse gänzlich aufgehoben werden. Für Stalin war dies die zentrale Linie. Und die Voraussetzungen für die Realisierung eines solchen Vorhabens schienen begünstigt durch die historischen Umstände einer (vom kapitalistischen Weltmarkt) isolierten sozialistischen Volkswirtschaft. Stalin meinte, daß es möglich sei, das Wertgesetz dadurch einzuschränken, daß der Austausch zwischen den Betrieben der Produktionsmittelindustrie nunmehr nach Verrechnungeinheiten erfolgen könnte, wobei der Preis nicht mehr Erscheinungsform des Werts sein sollte, sondern lediglich eine Rechengröße. Nach Stalins Tod begann in der SU eine Debatte über dessen Wirtschaftskonzeption, die sich in der Öffentlichkeit allerdings als Abrechnung mit seinen "Verbrechen" darstellte. In der Chrustschow-Ära (1956-64) gab es in der SU eine Reihe von Experimenten zur Abkehr von der Stalinschen Wirtschaftskonzeption, die alle nicht griffen. Da entdeckten die SU-Wirtschaftsideologen - allen voran Herr Liberman (1963) - den Markt als eine zentrale Einrichtung des Sozialismus, wo es nun daraufankäme, ihn zu nutzen, um den einzelnen Betrieben einen "Gewinn" nach "Leistung" zu ermöglichen. Diese Konzeption eines Marktsozialismus erregte auch in anderen RGW-Ländern (z-B.Polen) reges Interesse. Hierin spiegelte sich auch wieder, daß die sozialistischen Staaten miteinander und an ihren ökonomischen Rändern mit kapitalistischen Staaten am Weltmarkt im einem Austauschverhältnis standen. D.h. der vormals abgeschottete innere Markt existierte nicht mehr und das Problem des Austausches verschiedener Wertgrößen mußte über Preise erfolgen, was wiederum nach innen auf die Preisbildung Auswirkungen hatte. Das war das historische Ende der Stalinschen Wirtschaftskonzeption - Fossilien wie Albanien ausgenommen. Zwar wurde das "liberalistische Modell" des Herrn Liberman in der Breschnew-Ära eingefroren, aber mit "Gorbi" und Deng TsiaoPing feiert es erneut eine Auferstehung (siehe dazu wi 1/88 und 2/88) in den sozialistischen Ländern. Die Abkehr vom Stalinschen Modell der Verrechnungeinheiten in den 60er Jahren bis heute widerspiegelte sich gerade auch auf der Ebene der Theoriebildung über das Verhältnis von Wert, Ware und Preis. So heißt es heute dazu in revisionistischer Lesart: "Die Warenproduktion im Sozialismus, die auf dem geseHschafiiichen Eigentum an Produktionsmitteln beruht, ist eine Produktionsform, die der sozialistischen Planwirtschaft angepaßt und in diese eingeordnet ist. Dauer stimm t die Warenproduktion im Sozialismus mit den grundlegenden Wesensmerkmalen des Sozialismus überein und hebt die von Marx und Engels sowie Lenin entwickelten spezifischen Widersprüche der privaten und kapitalistischen Warenproduktion auf. Warenproduktion, Ware-Geld-Beziehungen und damit auch das Wertgesetz sind im Sozialismus objektive Beziehungen innerhalb der sozialistischen Reproduktion. "(Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus, Berlin / 1976, S.24)


Mit dieser Konzeption ging einher, daß die SED als Partei der Arbeiterklasse darauf zu verzichten begann, sich selber als konzeptioneller Gestalter des wirtschaftlichen Prozesses zu betrachten, um so die konzeptionelle Arbeit den Akademikern zu übertragen. Und diese erklärten: "Die gesamte Wissenschaftsystematik -sowohl innerhalb des großen Bereichs der Wirtschaftswissenschaften als auch innerhalb der politischen Ökonomie - hat sich seit Marx grundlegend verändert." (H.Lehmann, Probleme ökonomischer Theoriebildung, in: Wirtschaftswissenschaft, Berlin 8/1966, S.1288).

Infolge dieser Revision des wissenschaftlichen Sozialismus war es naheliegend, daß die DDR-Akademiker für die Gestaltung der Planwirtschaft besonders auf die Mikroebene abstellten und Anleihen bei der bürgerlichen Betriebswirtschaft machten. Zentrale Begriffe wurden: Preis, Gewinn, Rentabilität und Kapitalkoeffizient. Gleichzeitig veränderte sich auch die Sicht der Makroebene. Hier handelte es sich nicht mehr um eine Klassengesellschaft, in der die Arbeiterklasse und die mit ihr Verbündeten Klassen und Schichten die Diktatur ausüben, sondern um ein "gesamtgesellschaftliches Subjekt", welches "multi-dimensional strukturiert" ist (siehe dazu: W.Eichhorn, Subjektiver Faktor und Persönlichkeitsentwicklung, in: Persönlichkeitsentwicklung und moralische Prozesse im Sozialismus/ Fichte Schriften4, Berlin 1968, S. 15) .

Folglich verkörperte die SED dieses Gesamtsubjekt auf der politischen Ebene und auf der betrieblichen war als Ausdruck eines genuinen Arbeiterinteresses das Streikrecht überflüssig geworden. Beides seitdem so festgeschrieben in der DDR-Verfassung von 1968.

Der VIII. Parteitag der SED 1971 schloß gleichsam die Suchphase, die durch den Abbruch der Stalinschen Wirtschaftskonzeption in den 50er Jahren eingetreten war, ab. Er deklarierte im Zusammenhang mit einem Langzeitplan bis 1990, daß der Sozialismus keine eigenständige Etappe sei, sondern nur die erste Phase der "kommunistischen Gesellschaftsformation". Solche Ansicht entstand nicht zufällig, sondern entsprach der ideologischen Entwicklung des großen Bruders KPdSU, der gleichermaßen auf seinem XXIV. Parteitag so beschlossen hatte. Diese aus der SU adaptierte Sichtweise wurde in die bis vor Löcherung der Mauer gültige Formel "entwickelte sozialistische Gesellschaft" gegossen. Die Anpassung an die SU-Sozialismuskonzeption drückte sich auch direkt auf der Ebene der Theoriebildung aus. So wurden fortan keine eigenen Lehrbücher der politischen Ökonomie mehr fabriziert, sondern SU-Bücher übersetzt oder als Gemeinschaftsausgaben verlegt. Dies entsprach voll und ganz dem, wie Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der SU abliefen.

Der Staat mit seinen zahlreichen Ministerien und sonstigen Gliederungen wirkte direkt in die Betriebe hinein und bediente sich der Zentralbank als Investitionshebel. Zwischen den Betriebs- und Industrieabgabepreis schob sich die Produktionsabgabe, die der Staat vereinnahmte, um daraus finanzielle Puffer für wirtschaftslenkende Maßnahmen zu haben. Über diese Struktur zog der Staat ein engmaschiges Netz von Kontrollziffern als Steuerungselemente des Plans. Der Plan selber wurde zu einem umfassenden Instrument ausgebaut, das hierarchisch von oben nach unten wirkte. Das gesamte Preissystem lag ausschließlich in der Hand des Staatsapparates. Bei beidem - Plan und Preis - waren die Produzenten vor Ort lediglich mit Akklamationsfunktion ausgestattet. Dafür wurde ihnen auf dem VIII.Parteitag seitens der SED das Versprechen gegeben, daß ihre materielle Lage sich ständig verbessern werde und daß nur es eine Frage der Zeit sei, bis man die kapitalistische BRD überholt habe. Und hierfür lautete die Formel: Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Die 80er Jahre
Wege in den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft

In einem Interview, daß der ehemalige SED-Wirtschaftsfunktionär, Gernot Schneider, dem Tagesspiegel am 15.10.89 gab, hob dieser hervor, daß die DDR-Wirtschaft eigentlich permanent seit 1971 also "reformiert" wird, dennoch wären die "Defekte" auf folgenden Gebieten nicht zu beheben gewesen:

Kennziffern der Leistungsbewertung
Ressourcenverwendung
Preisbildung
Innovationsdynamik
Motivation- und Anreizsystem
Währung und aufgestaute Inflation wegen Warenmangels.

Hintergrund dieser Zerrüttung bildete vor allem in den 70er und 80er Jahren die starke Unterordnung der DDR-Wirtschaft unter die ökonomischen und militärischen Erfordernisse der SU, wobei die strukturellen Bedingungen ("staatskapitalistische" Planwirtschaft) diese Ausrichtung begünstigen. Der "Rote Morgen" (Erscheinungsort Stuttgart) hebt dazu in einem Artikel in seiner Dezemberausgabe 1989 folgende Indizes hervor:

1. Die Industriestruktur wurde an den Erfordernissen der SU ausgerichtet. 1987 betrug der Anteil der Eisenbahnproduktion, der in die SU exportiert wurde, 78 Prozent; bei der LKW-Produktion 70 Prozent, bei den Motorrädern 65 Prozent. Ähnlich hohe Prozentzahlen wiesen der Maschinenbau und die Textil-, Bekleidungs- sowie die Lederindustrie auf. Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung der Elektronikindustrie gelegt, um die SU mit modern gesteuerten Industrieanlagen versorgen zu können. Diese Lieferungen bezahlte die SU zu 30 Prozent unter dem Weltmarktpreis.

2. Die SU zwang die DDR, hohe Investitionen in der SU zu tätigen. Von 1978-1987 zahlte die DDR pro Fünfjahrplan acht Milliarden (DDR)-Mark u.a. für Ergas- und Erdölförderung.

3. Ein weitere Hebel zur Ausplünderung der DDR bildete ab 1971 die RGW-Investmentbank, an der die DDR mit 17,7 Prozent und die SU zu 38 Prozent mit Einlagen beteiligt ist(war). Der überwiegende Anteil der Kredit floß seitdem in die SU.

4. Die SU exportierte sukzessive Kapital in die DDR, indem sie dort Konzerne wie z.B. Interelektro oder Interkimik errichten ließ, wo der dort geschaffene Betriebsgewinn exklusiv der SU zufloß.

5. Auch im Außenhandel erfolgte eine Unterordnung der DDR unter die SU. Betrug der Exportanteil in die SU 1980 rund 35 Prozent stieg er in den Folgejahren auf fast 39 Prozent.

Indem die DDR eine Branchenstruktur entlang den SU-Erfordernissen entwickelte, mußte diese Entwicklung auf den Konsumgüterbereich zurückschlagen:

Während die Industrieinvestitionen ständig stiegen, gingen die Investitionen in der Landwirtschaft nicht nur relativ zurück, sondern auch in absoluten Zahlen: 1970 sechs Mill.Mark, 1987 5,65 Mill. DM (Quelle: Stat.Jahrbuch d.DDR, zitiert nach Stat.Jahrbuch d.BRD 1989, S.630). Diese wirkte sich natürlich auf das landwirtschaftliche Produktionsvolumen aus. So war die Kartoffelproduktion laut "Roter Morgen" 1987 niedriger als 1974, die Zuckerrübenproduktion niedriger als 1977. Ähnlich verhielt es sich in den 80er Jahren mit sog. langlebigen Konsumgütern des täglichen Bedarfs wie zB. Kühlschränke, Waschmaschinen, Fernseher, Schreibmaschen etc.. Selbst der von DDR-Apologeten in Ost und West (DKP/SEW) gepriesene Wohnungsbau hielt nicht das, was die DDR-Führung versprach. Nach jüngsten Zahlen - laut Tagesspiegel vom 21.11.89 - wurden 1988 zwar 110.000 Wohnungen neu gebaut, aber gleichzeitig 72.000 aus dem Altbaubestand abgerissen. 1971 war im Zusammenhang mit dem VIII.Parteitag das Versprechen gegeben worden, bis 1990 3,5 Millionen Neubauwohnungen zu schaffen. Tatsächlich wurden bisher 3,2 Millionen gebaut (ebd.).

Die zwei großen Flops

Als Ende der 70er Jahre die SU von der DDR erhöhte Preise für Erdöllieferungen präsentierte, gab der jetzt entmachtete und einsitzende SED-Wirtschaftexperte Günter Mittag die Losung aus, die DDR wegen des hohen Braunkohlevorkommen in Sachen Energie autark zu machen. Die SU sollte fortan nur noch ein Monopol in Sachen Atomstrom (AKW's) haben. So wurden binnen weniger Jahre 60 Prozent aller verfügbaren Investitionsgelder in Anspruch genommen, um Kraftwerke, Feuerungsanlagen usw., die mit Erdöl und Erdgas arbeiteten stillzulegen (Quelle. Spiegel 25/89). Seit 1981 wurden neun neue Braunkohlentagebauanlagen eröffnet, sodaß heute ein Viertel der Weltproduktion in der DDR stattfindet. Noch heute verschlingt diese Energiewirtschaft rund 12 Milliarden (DDR)-Mark jährlich an Investitionshilfe, das ist genauso viel, wie für alle anderen strukturbestimmenden Industriezweige ausgegeben wird (ebd.) Dennoch kann die DDR zu Spitzenzeiten ihren Strombedarf nicht decken, so daß es zu zusätzlichen Importen aus Österreich und der BRD kommt, was "harte" Devisen kostet.

Auf dem 7.Plenum des ZK's der SED beschloß man 1977, sich eine eigene Mikroelektronikbasis zuzulegen. Seitdem wurden 14 Milliaren Mark in dieses Vorhaben investiert. Obwohl 1988 der erste eigene 32-Bit-Computer vorgestellt werden konnte, ist eine Serienproduktion weiterhin nicht möglich. Laut Tagesspiegel vom 5.12.89 beträgt der technologische Rückstand bei den ME-Baulelementen gegenüber der westlichen Konkurrenz sechs bis acht Jahre, sodaß an ein Export gar nicht zu denken ist. Hinzu kommt, daß die in der DDR entwickelten Schaltkreise nicht geeignet sind, in die eigenen Maschinenbauprodukte als Speicherbausteine integriert zu werden.

Und viele "kleine" Flops

Dem Spiegel Nr. 25/89 waren zudem eine Reihe von "kleinen" Flops zu entnehmen, die ein düsteres Bild der DDR-Wirtschaft in den 80er Jahren zeichnen:

  • Neun Milliarden Mark wurden in das Sonderprojekt Wartburg/VW gesteckt. 1988 wurde der "neue" Prototyp vorgestellt. Rund 187 Zulieferbetriebe, davon die meisten branchenfremd, wurden in das Projekt eingebunden. Schlechte Verarbeitungsqualität war die Folge. Exportchancen = Null.
  • Die neue Produktionshalle für den Transporter "Barkas" war zu kurz geraten. Nun werden die halbfertigen Barkas 210 Kilometer durch die DDR gekarrt, um sie an an einer anderen Produktionsstätte fertigzumontieren.
  • Den Versuch einen Dieselmotor auf den Markt zu bringen, scheiterte an der technologischen Unfähigkeit, eine funktionierende Einspritzpumpe zu bauen. Kosten = eine Milliarde Mark.
  • Das Dresdner Elektromotorenwerk produzierte lange Zeit im Vorlauf für eine automatisierte Fabrik Stellmotoren für Roboter, dann stellte sich heraus, daß man in dieser Fabrik Wechselstrom- statt Gleichstrommotoren- benötige. Ergebnis: es gibt vorläufig keine automatisierte Fabrik.
  • Nach jahrelanger Bauzeit für mehrere 100 Millionen Valuta entstand bei Berlin ein von Japan gekauftes Werk für Fernsehbildröhren. Nach der Fertigstellung mußt man feststellen, daß dieses Werk keine Rechteckbildröhren fertigen kann. Exportchancen gleich Null.
  • Für Valuta baute in Eisenhüttenstadt Voest (Österreich) ein Konverter-Stahlwerk, eine Warmbandstraße wurde vergessen. Ergebnis: Die Produktion konnte nicht aufgenommen werden. Nutznießer: BRD-Konzerne: nämlich Hoesch, Thyssen und Salzgitter AG. Sie beliefern die DDR jährlich für eine Milliarde DM mit Stahl.

Kombinatspolitik mit kapitalistischen Erscheinungen

In den 80er Jahren setzte Günter Mittag durch, daß alle Industriebetriebe zu Kombinaten - derzeit rund 220 ("Zeit" v.15.12.89) - zusammengefaßt werden. Dahinter stand die Auffassung, den Umbau der Branchenstruktur der DDR effektiver unter einen zentralen Plankontrolle und mit gezielteren Investitionen seitens der Staatsbank abwickeln zu können. Tatsächlich schuf diese vertikale und horizontale Konzentration, wodurch ein Fünftel ("Spiegel" ebd.) der Ausrüstungsinvestitionen je Kombinat selber produziert werden, ein Wildwuchs an Beschaffungspolitik. Dazu ein erschreckendes Beispiel:

Das Textilkombinat "Textima" in Karl-Marx-Stadt importierte 1988 vom Weltmarkt für "harte" Devisen eine Werkzeugmaschine, die im "Fritz-Heckert"-Kombinat auf der gegenüberliegenden Straßenseite hergestellt worden war.

Die Verwertungsbedingungen wurden zunehmends unelastischer und zum Ausgleich wurden die Arbeitsbedingungen des DDR-Proletariats in den Kombinaten immer stärker mit kapitalistisch-betriebwirtschaftlichen Konzepten überzogen. Ein Hebel war dabei die Freisetzung von Personal, um die Ausbeutungsrate durch Leistungverdichtung zu erhöhen. Jedoch meldete am 24.11.89 die eingegangene "Wahrheit", daß eine Untersuchung von 47 zentral geleiteten Kombinaten ergeben habe, daß genau dies nicht klappe. Stattdessen gäbe es "mangelhafte Informationen über tatsächliche Betriebsprobleme, keine Übereinstimmung der Besetzungsnorm von Maschinen und Anlagen, Mängel in der Arbeitsorganisation, hohe vermeidbare Ausfallzeiten, ungenügende materielle Stimulierung zur Einsparung von Arbeitszeit und zur Gewinnung von Werktätigen."

In einem Papier für das "Autonomen"-Seminar zur DDR am 9.10.12.89 im westberliner Mehringhof heißt es zu dieser Problematik in zutreffender Weise:

"Da Arbeit keine kollektive Praxis mehr ist, muß sie individuell >entlohnt< werden. Leistungslöhne, Prämienlöhne usw., letztlich der Verweis von der kollektiven Praxis zum individuellen Konsum, ist die Folge. Der entfremdete Charakter der Arbeit läßt auch eine kollektive Organisierung der Distribution durch Produzenten nicht zu. Der individuelle Konsum wird zur Kompensation für fehlende gesellschaftliche Praxis." Und so wurden in der DDR die normalen Abwehrmechanismen des Proletariats mobilisiert, wie sie halt aus einem kapitalistischen Ausbeutungsvorgang entspringen: Absen-tismus oder wenig Leistung für viel Geld.

Inflation und Verschuldung galoppieren

Seit 1971 bildete die Formel von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik die Klammer, um das DDR-Proletariat arbeitsmäßig mit der "zweiten Lohntüte" bei der Stange zu halten. Die Kombinate, die sich als riesen Moloch entwickelten, in denen das Volksvermögen versackte, und die Plünderungen durch die SU erzwangen zur Aufrechterhaltung dieses Anpruch eine ungeheure innere Staatsverschuldung. Laut Wirtschaftswoche vom 15.12.89 beträgt der in den 80er Jahren aufgehäufte Berg der Staatsverschuldung pro Jahr 130 Milliarden DDR-Mark, wovon rund 55 Milliarden in das Wohnungsbauprogramm fließen. Rund 10 Milliarden betragen die Kosten für die "zweite Lohntüte". Desweiteren 65 Milliarden DDR-Mark (Volksblatt v. 16.11.89) durch Abwertungsverluste beim Export. Laut taz vom 15.11.89 verrechnete sich 1980 eine Valutamark mit 2,40 DDR-Mark, 1989 dagegen mit 4,40 DDR-Mark. Hinzukommen laut Volksblatt noch 20 Milliarden Dollar reine Auslandsverschuldung, die derzeit nicht gedeckt sind. Auf der anderen Seite bildete sich in den 80er Jahren zunehmend eine inflationäre Entwicklung aus, indem die DDR-Staatsbank fortlaufend Geld im Umlauf brachte, dem keine ausreichende Waren- und Dienstleistungsdecke gegenüberstand/steht. Die Begrenzung des inneren Konsummarktes durch die Mauer ließ diese Inflation jedoch nicht ausbrechen, weil die DDR-Werktätigen somit gezwungen waren, das Geld wieder in Form von Sparguthaben dem Staat zur Verfügung zu stellen. So betrugen laut Roter Morgen (ebd.) die Spareinlagen 1986 rund 132 Milliarden Mark etwa die Hälfte aller Löhne einschließlich Wertschöpfung.

Weder von diesen Arbeitsbedingungen noch von den anderen Lebensbedingungen war die SED-Spitze und die mit ihr verbundenen Parteiintellektuellen (Profs, Kombinatsdirektoren, hohe Staatsbeamter, Spitzenfunktionäre der Blockparteien usw.) betroffen. Für sie gab es im grundegenommen einen uneingeschränkten Luxuskonsum unter wenig streßigen Arbeitsbedingungen. Auf diese Zustände hatten bereits 1967 revolutionäre Kräfte in der damals verbotenen westdeutschen KPD hingewiesen (siehe Auszug weiter unten). Damals als üble antikommunistische Propaganda verleumdet, räumen heute die führenden SEDler diese Zustände unumwunden ein, tun aber gleichzeitig so, als handele es sich dabei um eine "neue" Erscheinung während der letzten Jahre der Honnecker-Führung.

SED-Reformkonzepte vor Löcherung der Mauer

Der XI.Parteitag 1986 hatte beschlossen, 16 Kombinate faktisch aus dem Plan herauszulösen. Sie sollten nach der Methode "Eigenerwirtschaftung" selbständig werden. Darüberhinaus sollten sie Pilotfunktion für den gesamten Umbau der zentralisierten Kombinatswirtschaft erhalten. Dieser Umbau sollte im Frühjahr 1990 auf dem XII.Parteitag beschlossen werden und den Fünfjahrplan 1991-1995 bestimmen. Im Rahmen dieser Debatte wurde 1988/89 eine Parteidiskussion über die Zukunft der zentralisierten Kombinatswirtschaft eröffnet. Dabei wurden Stimmen über sogenannte Mißstände laut, wenngleich dies auch im verklausulierten Parteichinesisch geschah.

Anknüpfend an der revisionistischen Vorstellung, daß gerade die Entwicklung der Produktivkräfte orientiert am kapitalistischen Weltmaßstab das Markenzeichen eines Sozialismus sei, rückte in der Parteidebatte immer stärker die Frage der sogenannten Schlüsselindustrien für die Meisterung der wissenschaftlichtechnischen Revolution in den Vordergrund:

"Das wachsende Tempo des sich im internationalen Maßstab vollziehenden wissenschaftlich technischen Fortschritts ist also objektiver Natur. Mit diesem Tempo gilt es Schritt zu halten und auf einzelnen Gebieten Spitzenpositionen zu erringen. Nur dann—kann die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik kontinuierlich fortgeführt werden " (So der damalige SED-Chefideologe Otto Reinhold, in: Einheit 6-88, S.499)

Indem sich die Erneuerungsvorstellungen ausschließlich auf ein "objektives" Weltniveau, nämlich das der kapitalistisch-imperialistischen Staaten bezog, war es aus dieser Logik heraus auch zwingend, die Kombinate als nach kapitalistischem Muster wirtschaftende, selbständige Einheiten zu betrachten und von dieser Modellvorstellung aus den Umbau der gesamten Volkswirtschaft anzukurbeln. Der heute entmachtete Helmut Kozioiek, damals neben Mittag Spitzenfunktionär für Ökonomiefragen, nahm da kein Blatt vor den Mund. Mit Berufung auf die von Karl Marx entdeckten Gesetzmäßigkeiten für das Profitstreben des industriellen Einzelkapitalisten schrieb dieser saubere SED-Ökononom: "Karl Marx Hinweis.-.gilt, wenn man die kapitalistische Hülle abstreift, in vollem Maße für unsere Kombinate und Betriebe."(ebd.S.507)

Unter diesen Gesichtspunkten war es für die SED-Reformer auch selbstverständlich, die stärkere Öffung hin zum kapitalistischen Westen mit Macht anzustreben. So schrieb der ebenfalls heute entmachtete SED-Chefökonom, Harry Nick, in der selben "Einheit": "Von dorther (gemeint ist die wissenschaftlich-technische Revolution - d.Säzzer) ergeben sich objektiv neue Notwendigkeiten und Möglichkeiten, die Auseinandersetzungen zwischen den Gesellschaftsordnungen mit Elementen eines positiven Wettstreits, einer für alle Seiten fruchtbaren Kooperation zu verbinden."(ebd.S.521) Einem ersten Zwischenergebnis gleich, faßte der damalige SED-Oberguru in Sachen Planwirtschaft, Günter Mittag, die bisherigen Reformvorstellungen parolenartig zusammen: "Von der festen Position unserer Gesellschaftsstrategie aus gehen wir jeden weiteren Schritt bei der Verwirklichung unserer Generallinie in ihrer Dialektik von Kontinuität und Erneuerung. Das bedeutet, am Bewährten nicht rütteln zu lassen, sich von allem zu trennen, was uns am Voranschreiten hindert, und neue Aufgaben anzupacken - mit Umsicht, Kühnheit und nochmals Kühnheit." (in: Einheit 4-89, S.299)

Damit war in der SED die Tür für weitere, stark am westlichen Industriekapitalismus orientierte Reformüberlegungen aufgestoßen, wobei jedoch nicht übersehen werden darf, daß hinter der "Generallinie" die Auffassung stand, keinesfalls die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" aufzubrechen und damit der Partei den Führungsanspruch in Sachen Planwirtschaft zu nehmen. Dieses Verständnis von Staatskapitalismus findet sich besonders auch im chinesischen Wirtschaftsmodell (siehe dazu wi 2/88).

Vom Resultat her betrachtet konnte sich diese Linie in der SED nicht durchsetzen - zu stark war das Drängen breiter Teile der Bevölkerung nach Demokratisierung, womit eben die "führende Rolle der Partei" zur Disposition stand. Auf der 9-ZK-Tagung, am 19.10.89, wurde die Fraktion Honnecker-Mittag entmachtet - und wie bekannt - wurde vorübergehend der Interimskandidat Krenz für wenige Wochen an der SED-Spitze installiert. Hierdurch konnten die SED-Reformer um Modrow & Co. sofort ihre weitergehenden Reformideen propagieren - nämlich solche, die die Ummodelung des staatlichen, politischen und kulturellen Überbaus mit beinhalten.

In der "Einheit" Nr. 11-89, die unmittelbar nach dieser einschneidenden ZK-Tagung erschien, finden sich dann auch in Sachen Ökonomie keine qualitativ anderen Vorschläge als sie von der Honnecker-Fraktion zuvor unterbreitet worden waren. Nur die Stoßrichtung erhielt erheblich an Konturen:

  • Zunächst wurde eingeräumt, daß die DDR-Wirtschaft stagniere.(siehe dazu Einheit 11-89,S.979) Dies war allerdings ein (öffentliches) Novum. Von dort aus wurde ebenso deutlich gemacht, daß eine Politik des Sparens anvisiert werde. Der Hebel hierfür sollte die Subventionspolitik sein (ebd.S.989) - im Klartext: die "zweite Lohntüte". "Nicht wenige Bürger erklären z.B., daß sie bereit wären, für diese oder jene Leistung höhere Tarife zu bezahlen, wenn unser System der Dienstleistungen besser und effektiver funktionieren würde."(ebd.) Wer diese anonymen Bürger sein könnten, konnte man bereits Anfang Oktober 89 einem SEW-Reisebericht (Wahrheit v.6.10.89) entnehmen. So z.B. die Kolleginnen des LEW in Henningsdorf, welches mit AEG zusammen Intercityzüge für Griechenland (mit einer festen Auftragslage bis zum Jahr 2000) baut. Sie verfügen über überdurchschnittliche Lohnzulagen, längeren Urlaub und arbeiten freudig im Schichtbetrieb.
  • Auch in Sachen Kombinate -bezogen auf die Erfahrungen der 16 Pilotkombinate - wurde die Sprache deutlicher. Der bisherige Hauptmangel im Funktionieren der DDR-Wirtschaft wurde in der Disproportionalität der Finalbetriebe zu den Zulieferbetrieben gesehen. Hier soll zukünftig das kapitalistische "Just-in-time-Modell" (siehe dazu wi 2/87) installiert werden (ebd.S.1039). Nur so können - das meinen die entschiedenen SED-Reformer um Modrow - die DDR-Betriebe am EG-Markt erfolgreich teilnehmen (ebd.S.1041). Und erfolgreich könnten dann DDR-Betriebe nur sein, wenn sie dies in eigener Regie tun (ebd.S.1042). Dies beinhaltet allerdings die Abkoppelung von staatlich fixierten Industriepreisen (ebd.) und völlig selbständige Teilnahme am DDR-Binnenmarkt (ebd.S.1045).
  • Während das Eigenerwirtschaftungsmodell der Kombinate als Vorbild vom Modrow-Flügel uneingeschränkt weiter propagiert und vertieft wurde, zielte nun auch die Kritik auf die dort beschäftigten Kollegen, die sich bisher nicht wie die LEWler ordentlich krummlegen wollten. So sollte "Schluß gemacht werden" mit dem bisherigen Lohnsystem, daß auch denen einen ausreichenden Lohn gewähre, die nicht zusätzliche Leistungen erbringen wollten (ebd.S.991). Höhere Löhne sollten dagegen demnächst in jedem Fall "Meister und Ingenieure" erhalten.(ebd.S.992) Auch sollte unbedingt der Paragraf 89 Abs.3 des Arbeitsgesetzbuches fallen, der den Kolleginnen während der Maschinenstillstandzeiten den Leistungslohn garantiere.(ebd.S.993) - und vor allem sollte eine Neuregelung der Löhne nicht mehr zentral erfolgen, sondern sich nach der wirtschaftlichen Stärke des jeweiligen Kombinats richten, meinte Prof.Dr.sc.oec.Schmidt/Berlin auf S.997.

Vor Löcherung der Mauer lautete also bereits das bittere Resümee der DDR-Wirtschaft aus Sicht der entschiedenen SED-Reformer: Kombinate und Betriebe endgültig als selbständige kapitalistische Wirtschaftseinheiten behandeln, den "doppelt freien Lohnarbeiter" (Marx's polit-ökonomischer Begriff für den Proleten) wieder installieren und die staatliche Subventionspölitik nach den neuen Erfordernissen neu ordnen. Kurzum: Wer also einen Kapitalismus will, der sich an der Keynes'schen sozialen Marktwirtschaft orientiert, der braucht auch den passenden Überbau - sprich die bürgerliche Demokratie. Hier trafen nun die DDR-Oppo-Gruppen mit ihrer Forderung nach "Freiheit" auf die Freiheitsfreunde aus der SED. Und alle freuten sich über die Löcher in der Mauer.

Nach Löcherung der Mauer
SED eine "Partei des Demokratischen Sozialismus" als Geburtshelfer des vollendeten DDR-Kapitalismus

"Genossen! Laßt uns zur Partei des Kampfes um soziale
Sicherheit und um soziale Gerechtigkeit werden."

Gysi

Herr Gysi, neuer SED-PDS-Vorsitzender, wurde mit breitem Beifall auf der zweiten Runde des SED-Parteitags am 16./17.12.89 bedacht, als er erklärte: "Keine Partei oder Bewegung in diesem Land verfügt heute bereits über ein fertiges Staatskonzept für die Zukunft, auch wir nicht." (ND v.18.12.89). Und obwohl es wegen des neuen Überbaus einer in Richtung westlichen Kapitalismus zu transformierenden DDR tatsächlich noch Klärungsbedarf gibt, konnte er schonmal die Richtung klar machen: Daß gegenwärtige Staatskonzept sei "deformiert" und eine neue Verfassung habe sich "an gutem marxistischem und bürgerlich-demokratischem Verfassungserbe" zu orientieren. Da sich bekanntlich - nach Marx - der Überbau langsamer umwälzt als die Basis, findet hierin der interessierte Zeitgenosse auch eine weitere Bestätigung für die Herausbildung kapitalistischer Produktionverhältnisse in der DDR. Von daher waren Gysis Ausführungen zur DDR-Wirtschaft auf dem Parteitag samt und sonders alte Hüte, wie sie in den Umbaukonzeptionen seit dem XI.Parteitag 1986 bereits entwickelt worden waren: Das Leistungsprinzip solle nun uneingeschränkt gelten, die Löhne sollten sich allein am Betriebsgewinn orientieren, Subventionen sollten keinesfalls länger nichterbrachte Indivi-dualleistungen verschleiern, Marktsozialismus und rein in die EG (ebd.). Das Zerreißen des alten Zusammenhangs zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik ward vollzogen, die Weichen für den Eintritt in die Phase des vollendeten Kapitalismus gestellt. Die SED-PDS gab ihren Führungsanspruch auf.

In zahllosen Veröffentlichungen, Kommuniques und Diskussionsbeiträgen profilierten sich SED-Ökonomen nach der Löcherung der Mauer für diese Weichenstellung. Allen voran eine AG aus dem Finanz- und Preisministerium, die die Ergebnisse der Beratung Modrows mit den Generaldirektoren der Kombinate und mittleren Wirtschaftsfunktionären vom 10.12.89 vertieften. Ganz im Jargon der 60er Jahre, als die alte Stalinsche Wirtschaftskonzeption geknackt wurde, proklamierte die AG im ND v.14.12.89, daß nun endlich den Ware-Geld-Beziehungen im "Sozialismus" zur vollen Entfaltung kommen müßten: "Die Schaffung einer leistungsorientierten, auf die Markterfordernisse ausgerichteten und international konkurrenzfähigen Wirtschaft schließt eine Politik des harten Geldes

sowie eine restriktive Finanzpolitik notwendigerweise ein." Um die inflationären Tendenzen zu stoppen, empfiehlt sie als ersten kurzfristigen Schritt, daß die Werktätigen ihre Sparguthaben nicht in Konsumgüter verschleudern (die es derzeit eh nicht gibt), sondern sie sollten "Obligationen und Aktien"-Besitz an "ihren" Betriebe erwerben. Damit sollte ebenfalls der sofortige Abbau von "nicht gerechtfertigten Preisstützungen" abgefangen werden. Insgesamt sollte damit längerfristig die Rolle der Staatsfinanzierung zurückgedrängt werden und die Staatsbank als Zentralbank sollte nicht mehr dem Ministerrat, sondern der Volkskammer unterstellt sein. Diese Rücknahme des alten Staatsinterventionismus würde nach Meinung der AG erst den richtigen Durchbruch für die Selbständigkeit der Betriebe und Kombinate bringen; denn hierdurch könnten endlich die Valutaerlöse der Außenhandelbetriebe - und solcher, die es werden sollen - in völlig eigener Regie verbleiben. Kombinate und Betriebe sollten - wie im westlichen Kapitalismus - nur noch nach festen Steuersätzen hin an den Staat abführen. Und dem fiele nur noch die Aufgabe zu, Rahmendaten für "ausgewählte Gebiete" zu erheben. Die völlig selbständige Verfügungsgewalt über die Akkumulation des realisierten Mehrwerts bliebe somit zukünftig alleinige Angelegenheit der Betriebe, die durch die AG ausdrücklich ermuntert wurden, ihren Reproduktionsfond durch Westkapital zu erweitern. Die zur Zeit fehlenden Mittel für die Rekonstruktion des derzeit veralterten Maschinenparks der Betriebe und Kombinate könnten durch Leasinggeschäfte mit dem Westen oder Verpachtung von Grundstücken und Industrieanlagen kompensiert werden.

Am 20.12.89 bilanzierte die SED/DDR-Führung das wirtschaftliche Desaster des laufenden Rechnungsjahres im ND, aus dem es nun nur noch den kapitalistischen Ausweg geben soll:

  • 148 von 383 Staatsplanpositionen sind nicht erfüllt
  • die Vertragsrückstände im Bauwesen betragen 541 Mill. DDR-M
  • 21 Prozent beträgt der Planrückstand der Landwirtschaft
  • von 97 zentralen Investitionsvorhaben wurden 86 in Angriff genommen
  • die Vertragsrückstände im Export sind weiter angewachsen
  • 117 von 167 Industriewarenlieferungen auf dem Binnenmarkt waren nicht erfüllt
  • der Lieferrückstand bei Fertigwaren betrug 589 Mill. DDR-M
  • die Spareinlagen erhöhten sich auf weitere 3,6 Milliarden DDR-M

Das solch eine Situation wenig positiven Widerhall beim DDR-Proletariat findet, liegt zwar auf der Hand, aber es gab bislang wenig Anzeichen eines Unwillens. Dennoch ließ die SED rund um ihren Parteitag im ND etliche Verlautbarungen aus Betrieben veröffentlichen, die zum einen den neuen Kurs lobten und sich zum ändern ausdrücklich gegen Arbeitskämpfe aussprachen. So heißt es zum Beispiel im ND v. 16./17.12.89, daß 1.000 Bergleute eine Erklärung unterzeichnet hätten, in der sie ausdrücklich vor Streiks warnten.

Wenn sich das DDR-Proletariat nicht endlich auf seine eigene Kraft besinnt, dann wird wahr, was Herr Wokurka, Leiter des Robotron-Kombinats, dem Spiegel als seine Wunschvorstellung nannte: "Wenn ein Bürger eine bestimmte Anzahl von zumutbaren anderen Stellen ablehnt, dann muß nach einer angemessenen Frist auch die Kündigung ausgesprochen werden." (Spiegel, Nr.48-89, S.116f) Und dies entspricht voll und ganz dem, was Herr Modrow seinen Direktoren am 10.12.89 vorschlug: "notwendige Planreduzierungen" und ein "Arbeitsbeschaffungsprogramm". (vgl.dazu Tagesspiegel v.12.12.89)

DDR-Oppo-Gruppen überwiegend im Fahrwasser der SED-Reformer

Mokant charakterisierte die Morgenpost am 17.12.89 den "runden Tisch" : "Vier Anwälte und ein Dutzend ihrer Mandanten sind die politische Hoffnung der DDR." Und damit traf sie den Nagel auf den Kopf. Als die SED in den 70er Jahren den Parteiintellektuellen die Ausarbeitung der ökonomischen Konzepte übertrug, konnte sie nicht ahnen, daß ihr rund 15 Jahre später eine Opposition entgegentreten würde, die eben aus diesen sozialen Zwischenschichten hervorwuchs, aus denen die SED-Konzeptemacher selbst entstammten.

Am 30.10.89 gab die DDR-Oppo-Gruppe "Demokratischer Aufbruch" ihre Führungsriege bekannt: Bis auf einen Schlosser, zwei Rechtsanwälte, ein Soziologe, eine Musikdramaturgin, zwei Pfarrer, ein Physiker, ein Dozent, ein Physiker, ein Ingenieur. Ahnlich ist die soziale Zusammensetzung des "Neuen Forums" und selbst die "Vereinigte Linke" stellt nicht mehr dar, als eine Gruppe von "30-50jährigen Männern aus intellektuellen Zirkeln" (siehe dazu Reader zum autonomen DDR-Seminar, S.2).

Von daher ist es auch nicht verwunderlich, daß das Hauptpaket der Forderungen dieser Mittelschicht-Oppo-Gruppen in erster Linie auf die Veränderungen im politischen Überbau zielt, während in Sachen Ökonomie das gleiche Vokabular verwendet wird wie bei den SEDlern. Stellvertretend dafür steht eines der ersten Flugblätter des "Neuen Forums", herausgegeben Mitte September 1989, wo es heißt, daß vor allem die "gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft die schöpferischen Potenzen" der Gesellschaft lahme (zitiert nach ges.Flugschriften DDR'89, S.2).

Auf dieser Linie vereinigten sich recht schnell danach alle DDR-Oppo-Gruppen, nachzulesen im gemeinsamen Flugi vom 3.11.89 (ebd. S.1).

Parallel zu dieser Fixierung auf die Reform des Staatsapparates begann zögerlich die Orientierung an ökonomischen Fragen. Und da wurde schonmal dem DDR-Proletariat die eine oder andere Schmähung zuteil: "Vielen Werktätigen ist ihre Arbeit gleichgültig geworden. Sie wehren sich gegen Bevormundung und Mißwirtschaft durch nachlässiges Arbeiten-Werktätige im Handel, Handwerk und Dienstleistung gegen ihre Unzufriedenheit an ihre Kunden weiter. Wie oft erleben wir Grobheit und Unfreundlichkeit. War das unser Traum von Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit." (Demokratie jetzt, Zeitung der Bürgerbewegung, 30.9.89, S.1)

Und die "Initiative für unabhängige Gewerkschaften" verlautete in ihrem Aufruf ans DDR-Proletariat: "Die nächsten Jahre werden für uns kein Zuckerschlecken."

Wie man Lohn und Leistung zukünftig in der DDR-Wirtschaft aus Oppo-Sicht zu sehen habe, machte ein Artikel im "telegraph" - Zeitung der Umweltbibliothek - am 16.11.89 deutlich: "Wer also volle Leistung verlangt, der muß sie auch voll bezahlen und als Maßstab gilt nicht, was sich irgendein Politbürokrat an seinem Schreibtisch ausgedacht hat, oder was er sich in der dritten Welt abgeguckt hat; als Maßstab gilt, was im Weltdurchschnitt für vergleichbare Arbeit bezahlt wird."(S.7). Und weiter: "Auf die Dauer kann man von den Werktätigen nicht verlangen, daß sie nach Maßstäben, die das Weltniveau setzt, produzieren und nach den Maßstäben von vorindustriellen Hinterwäldlern konsumieren."(ebd.)

Von solchem Rassismus aus war es dann auch nicht weit zu der Erkenntnis, daß nur das BRD-Kapital in der Lage sei, dieses "Weltniveau" in der DDR herzustellen zu können. So trafen sich Ende November 89 die Mitglieder der Gruppe "Ökonomie" vom "Neuen Forum" mit Vertretern des BRD-Kapitals -u.a. mit Herrn Necker, Präsident des BDI, um an zwei Tagen im Plenum und in Arbeitsgruppen die Auslieferung der DDR-Wirtschaft an das BRD-Kapital zu beraten. Von DDR-Seite aus votierte der Ökonomie-Prof.Steinberger für "Opfer", die nun zu erbringen wären, und die ganze Sache müsse natürlich "in Dollar" verrechnet werden (siehe dazu Tagesspiegel und taz v.28.11.89). Sein Kollege Wilde verlangte die "Etablierung" eines "Kapitalmarktes" und das "Neue Forum" meinte mit offensichtlicher Berufung auf sich selbst: "Aus der wirtschaftlichen Krise kommen wir nur heraus, wenn wir uns auf Intelligenz, Ideenreichtum und Initiative von selbständig agierenden Betrieben stützen." Herr Necker bescheinigte den Diskutanten ein Lob und pries die "sanfte Revolution", meinte jedoch, daß er sich solch eine Aulbruchstimmung auch für die Betriebe wünsche. Das "Neue Forum" dürfte ihn - ähnlich wie die SED-Reformer - mit Kräften bei der Realisierung dieses Wunsches unterstützen. In 17 Thesen legte das "Neue Forum" den dazugehörigen Plan vor, und er las sich, wie bei der SED abgeschrieben:

  • Bis zu 49 Prozent sollen die Betriebe reprivatisiert werden, sei es durch Belegschaftsaktien oder durch Westkapital;
  • Das Außenhandelsmonopol des Staates soll durch die Betriebe ersetzt werden;
  • Staatliche Planung soll sich auf Rahmendaten beschränken;
  • Schrittweise Konvertierung der Währung;
  • Beschränkung der Rolle der Staatsbank und Installierung eines Steuersystems nach westlichem Muster;
  • Betriebe bestimmen die Löhne, Stellenpläne und Preise selber;
  • Arbeitslose erhalten Sozi, Umschulungswillige(?!) kriegen Unterstützung;
  • Banken werden selbständig;
  • Pacht und Mieten werden frei ausgehandelt;
  • Entwertung aller Sparguthaben.

Bei solchen Tönen war es klar, daß weiterer Westbesuch nicht auf sich warten lassen würde. Anfang Dezember 89 trafen sich die "Berliner Oppositionellen" im Hinterzimmer der Prenzlauer Berg Kneipe "Quelle" mit dem BRD-Oberkapitalisten Wolf von Amerongen zwecks weiterer Unterweisung. Dieser erläuterte ihnen, daß alle DDR-Betrieb unter 1.000 Beschäftigten voll reprivatiert werden müßten - Rechtsform GmbH. Betriebe mit der Größenordnung 1.000 - 3.000 müßten einer Rentabilitätprüfung unterzogen werden und jeder Betrieb über 3.000 Beschäftigte müßte zu 48 Prozent Eigentum der BRD-Kapitalisten werden (Quelle: telegraph v.10.12.89).

Während die sogenannten bürgerlichen Oppo-Gruppen immer stärker das Gesicht dem BRD-Kapital zuwandten, die Blockparteien ihre alten Verbindungen zu ihren BRD-Schwesterparteien intensivierten und sich von der SED absetzten, geriet in Sachen Ökonomie die "Vereinigte Linke" immer tiefer ins ideologische Nirwana. Ende November 89 führte sie eine Konferenz zur Herausbildung eines Programms durch. Während die "Westlinken" (außer "Autonome" und frz. "Trotzkisten"- warum wohl?) im Sinne eines Auswärtsspiels die Debatte im Plenum dominierten ("heftiges Gezänk"), blieb das Ergebnis der AG's mager. Die Ökonomie-AG vermeldete: "Die Ökonomiegruppe konnte sich nur auf Kernpunkte der Böhlener Plattform einigen. Hinzugesetzt wurde, daß diese Punkte im weltweiten Kontext gelten. Alternative Wirtschaftsvorstellungen wurden in der Gruppe nicht konkretisiert."(Quelle: telegraph v.29.11.89)

Was unter "weltweitem Kontext" zu verstehen ist, war dann im "Manifest für eine autonome Frauenbewegung" am 9.12.89 in der "taz" zu lesen: "Für einen modernen Sozialismus auf deutschem Boden in einem gemeinsamen europäischen Haus."

Unter den DDR-Oppo-Gruppen hat die SDP gute Chancen, in den "freien" Wahlen im Mai 1990 als starke Kraft hervorzugehen. Sie selber - ebenfalls eine Mittelschichtpartei - hat alle Kraft darauf verwandt, sich das Profil einer Volkspartei zu geben. Dabei wurde sie tatkräftig von den BRD-Sozialdemokraten unterstützt. So konnte sie - im Gegensatz zu den anderen Oppo-Gruppen - bereits am 7.10.89 programmatische Grundlagen vorlegen. Ganz im sozialreformistischen, prokapitalistischen Sinne eines Godesberger Programms zielt die SDP auf eine soziale Marktwirtschaft: "Der Marktmechanismus ist ein nicht durch Planung zu ersetzendes Mittel der Steuerung der Wirtschaft. Er muß in unserer Wirtschaft wieder zur Geltung kommen."(S.5) Und weiter unten: "Wir treten ein für Mitbestimmung, Kapitalbeteiligung und Selbstverwaltung als Wege der Demokratisierung der Wirtschaft."(S.6) Die Nähe zum "Bülow"-Papier war frappierend (siehe dazu weiter unten).

Und last not least zählt auch diese Gruppierung zur "Bürgerbewegung" der DDR und greift in den Verlauf der "sanften Revolution" ein. Gemeint ist die am 30.11.89 in Leipzig gegründete "Partei für die Wiedervereinigung Deutschlands"(PWD). In ihrer Programmatik heißt es: "Die Aufrechterhaltung des Staates DDR, wie es sowohl die erneuerte SED als auch verschiedene Oppositionsparteien und -gruppierungen anstreben ... erachten wir 44 Jahre nach Kriegsende nur noch im Sinne einer Gewährung der öffentlichen Ordnung und als Organisation der Interessenvertretung der Bevölkerung während einer Übergangsperiode bis zur Wiedervereinigung für notwendig. Um die soziale Gefährdung der DDR-Bevölkerung so gering wie möglich zu halten, fordern wir den schnellstmöglichen Übergang zur freien und sozialen Marktwirtschaft und sofortige gesetzliche Rahmenbildung für Investitionen westdeutschen Kapitals." (Quelle: Die Welt v.1.12.89) Modrows moderate Formulierung von der "Vertragsgemeinschaft" DDR-BRD stieß eben nicht nur bei BRD-Kanzler Kohl auf Zustimmung, sondern beflügelt in der DDR reaktionäre Kräfte jeglicher Couleur - ganz zu schweigen von den Faschokräften, ihr Haupt zu erheben.

Klasse, Klassenkampf, revolutionäre Umgestaltung und Diktatur des Proletariats - das sind nicht nur abhandengekommene Begriffe, sondern auch verlorengegangene Inhalte sowohl bei der SED-PDS als auch bei allen sogenannten Oppo-Gruppen. Wie hieß es so schön in der Zeitung der Ortsgruppe Prenzlauer Berg vom "Demokratischen Aufbruch" (DA) im November 89: "Sozialismus ist die Selbstbestimmung des Volkes."

Über die gegenwärtigen DDR-Eroberungstrategien des BRD-Kapitals

Noch in diesem Jahr werden aufgrund der Hochkonjunktur 8,3 Milliarden DM mehr in die Kassen der Kommunen, der Länder und des Bundes fließen, 1990 sollen es sogar 12 Milliarden werden (Quelle: taz v.13.11.89). Vor dem Hintergrund solcher Gewinne, die sich im Inland nicht produktiv akkumulieren lassen und somit über die Steuergesetzgebung der "Allgemeinheit" zufließen, kamen die Löcher in der Mauer gerade recht.

Seit 1985 waren sowohl die Warenlieferungen als auch die Warenbezüge von der DDR seitens der BRD rückläufig (siehe Schaubild). Auch der Kapitalexport entwickelte sich mäßig. Nach Untersuchungen des DIW waren vor der Öffung der Mauer 140 Unternehmungen in insgesamt 1.100 Kooperationprojekten mit der DDR verbunden. Hierbei handelte es sich in aller Regel um "reine" Handelsbeziehungen. Nur wenige Projekte - wie z.B. die Salamanderschuhproduktion - waren auf direkte Gewinnerzielung durch Abpressung von Mehrwert beim DDR-Proletariat aussgelegt (Quelle: Deutsche Bank, DDR-Special v.4.12.89, S.12). Die immer klarer werdenden Aussagen der neuen SED-Führung und der DDR-Oppo-Gruppen, sowie der "Blockparteien" der DDR hinsichtlich der Rekonstruktion privatkapitalistischer Verhältnisse, ver-anlaßten westdeutsche Großkonzerne alsbald für dem Kapitalexport den Blick nach Osten zu richten - ein Stück weit weg vom "EG-92"-Projekt:

  • die SPD veröffentlichte im November 89 das sogenannte "Bülow"-Papier, worin der DDR sofortige Währungsreform, Entstaatlichung der Betriebe, Einfrieren der Sparguthaben und der Import westeuropäischen Kapitals vorgeschlagen werden;
  • Siemens projektierte im November 89 den Aufbau eines neuen Telefonnetzes in der DDR
  • Unilever sondierte im November 89 Möglichkeiten des Warenexports;
  • die IGM schlug auf ihrem Gewerkschaftstag vor, der DDR eine Art "Marshallplanhilfe" zukommen zu lassen;
  • Mannesmann verbreitete am 29.11.89 sein Vorhaben auf Ausweitung seiner DDR-Wirtschaftsbeziehungen;
  • AEG und LEW Henningsdorf beschlossen im Dezember 89 die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens;
  • die FDP rechnete am 2.12.89 vor, daß die DDR insgesamt eine Kapitalimportbedarf in Höhe von 942 Milliarden DM habe;
  • die CDU-Mittelstandsvereinigung gab am 3.12.89 die Einrichtung einer Werkzeug- und Maschinenbörse für die DDR bekannt;
  • der BRD-Einzelhandelsverband erklärte am 3.12.89, daß eine BRD-Unternehmensberatungsfirma "Schubladenpläne" für die Eröffnung von Filialketten in der DDR ausarbeite und dafür derzeit Untersuchungen in der DDR anstelle;
  • Salzgitter AG veröffentlichte am 10.12.89 den Plan für ein Gemeinschaftsunternehmen in der DDR;
  • Bertelsmann eröffnete am 12.12.89 einen Buchclub in Dresden als Pilotprojekt;
  • Schindler AG verkündete am 13.12.89, daß ein Gemeinschaftsunternehmen in der DDR projektiert sei;
  • ASU, die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer in der BRD, nahm am 14.12.89 die Schulungsarbeit für DDR-Betriebsleiter auf;
  • Siemens verkaufte am 15.12.89 Überwachungs-systeme an DDR-AKW's;
  • VW und IFA bekamen seitens des Bundeskartellsamt am 15.12.89 die Zusage ein Gemeinschaftsunternehmen in der BRD und später in der DDR zu errichten;
  • Preussen-Elektra erklärte am 15.12.89 die Ausweitung des Stromverbunds mit der DDR;
  • Reemtsma führte am 19./20.12.89 in Dresden Gespräche über den Aulbau einer Produktionslinie;
  • Die Commerzbank und die Westdeutsche Landesbank gaben am 19.12.89 die Einrichtung von Verbindungsbüros in Ostberlin bekannt;
  • Die Dresdener Bank stiftete am 20.12.89 20 Millionen DM und kündigte die Eröffnung einer Geschäftsstelle in Dresden an.

Während auf der einen Seite die Einzelkapitalien nach individuellen Anlagemöglichkeiten zu suchen begannen, verlegten sich die bürgerlichen Parteien und ihr BRD-Staat auf die Entwicklung sogenannter mittelfristiger Rahmenbedingungen für die Inbesitznahme der DDR-Wirtschaft. Der November und Dezember 1989 waren geprägt von der Kontroverse zwischen CDU und SPD in dieser Frage. Anstoß erregte Kanzler Kohls "10-Punkte-Plan zur Deutschlandpolitik", indem dort durch die Hervorhebung der "Wiedervereinigung" deutlich gemacht wurde, daß die DDR nur dann ein Objekt des westeuropäischen Kapitals sein könne, wenn das BRD-Kapital seine Chancen zuvor ausgelotet habe. Dies rief die politischen Vertreter des europäischen Kapitals auf den Plan, allen voran Mitterand, der auf seinem DDR-Besuch im Dezember 89 nochmal deutlich machte, daß das frz-Kapital nicht bereit sei, dem BRD-Kapital solch eine exklusive Stellung im Rahmen der EG einzuräumen. Solche Töne wurden von der neuen SED-Führung wohlwollend aufgenommen, entsteht für sie aus der Konkurrenz der verschiedenen europäischen Kapitalfraktionen die Möglichkeit der Auswahl und damit Verkauf zum höchsten Preis. Die CDU schien vorübergehend isoliert. Gab es nicht nur Schelte von Gorbatschow und Bush, sondern angesichts der nahenden Bundestagswahlen drohte die SPD in dieser für das BRD-Kapital zentralen Frage zum ernsthaften Konkurrenten in Sachen Regierungsmacht zu werden. So begab sich Kanzler Kohl alsbald in die DDR, traf Modrow in Dresden, öffnete weitere Löcher in der Mauer und relativierte seine Wiedervereinigungsaussagen hin zur Gummiformulierung des "europäischen Hauses". Gleichzeitig erfolgte am Wochenende das 16./17.12.89 der "Berliner Parteitag" der SPD und die dort beschlossene Erklärung "Die Deutschen in Europa" hätte nun auch wieder auf einem CDU-Parteitag verabschiedet werden können:

"Die Einigung Europas und die Einigung der Deutschen sind eng miteinander verbunden. Das eine ist nicht auf Kosten des anderen zu erlangen." (zitiert nach Tagesspiegel v.19.12.89)

So wie es zur Zeit scheint, liegen die großen bürgerlichen BRD-Parteien im Trend mit den Linienvorgaben und dem Such- und Testverhalten der westdeutschen Konzerne. Dies soll exemplarisch durch Vergleich der DDR-Strategien des Multis AEG mit jenen des westberliner Mittelbetriebes KRONE belegt werden:

KRONE AG

In den "vdi-nachrichten" v.17.11.89 und in einem Artikel der "Welt" v.20.11.89 wurde auf die Schwierigkeiten der Firma Krone im Ringen um einen Marktanteil in Sachen mobiles Telefon eingegangen. Zum einen stagniert das Geschäft bei Krone, weil Schwarz-Schilling immer noch nicht einer bestimmten Firmengruppe den Zuschlag für das Inlandsgeschäft gegeben hat.

Zum anderen herrscht ein siarker Preisverfall auf dem internationalen Markt, der die finanzschwache westberliner Firma zwingt, die Fertigung in sogenannte "Billiglohnländer" zu verlagern, um die Profitrate zu halten. Der umgehende Export von Kapital in die DDR erscheint demnach für Krone als der derzeit günstigste Ausweg aus diesem Dilemma. Dies in zweierlei Hinsicht: Erstens ist die DDR gegenwärtig auch ein "Billiglohnland"; aber zweitens ist die DDR auch noch ein unerschlossener Absatzmarkt. So hatte BDI-Präsident Necker vorgeschlagen, daß die DDR sich auf mobile Telefone ausrichten sollte, um so dem hereinströmenden Kapital eine entsprechende Kommunikationsstruktur gewähren zu können, was sonst mit herkömmlicher digitaler Leistungstechnik noch Jahre dauern würde. Die Firma Krone hatte schon früher an die Möglichkeit des Aulbaus einer Fertigungslinie in der DDR für Leiterplatten gedacht, doch "logistische Hürden" sollten dies bisher verunmöglicht haben. Geht es nach Firmenchef, Klaus Krone, so könnte die Fertigung heute sofort in einem neu zu errichtenden Werk im Grüngürtel des Großraums von Gesamtberlin erfolgen. Der gegenwärtige Kurs der "Ostmark" sei ihm egal, ließ er verlauten. Erstmal Kapital exportieren, die Rechts- und Beteiligungsformen - wie etwa bei einem Joint-Venture-Modell -könnten seiner Meinung wesentlich später erfolgen. Schließlich könne die Planwirtschaft nicht einfach abgeschafft werden und Druck würde die Reformbewegung nur stören. Und um seinen entschiedenen Willen unter Beweis zu stellen, habe die Firma Krone sein altes, geräumtes Produktionsgebäude in Westberlin für "Übersiedler" als Notlager zur Verfügung gestellt, die Betriebsfußballmannschaft habe bereits gegen eine Lagermannschaft gespielt und er hoffe, er Klaus Krone, daß dies alles Vertrauen für seinen Drang in die DDR stifte. Im übrigen vergaß Klaus Krone auch nicht daraufhinzuweisen, daß die ausländischen Arbeiterinnen erst nach dem Mauerbau im westberliner Werk eingestellt werden mußten.

AEG

Der Multi spürt z.Z. keinen Drang nach Neugründung von Projekten in der DDR. Lediglich bestehende Verbindungen - wie die mit der LEW-Henningsdorf - werden in Richtung Kapitalexport erweitert. Im Spiegel Nr.44 und 45-89 legte der AEG-Vorstandsvorsitzende, Heinz Dürr, diese Linie genau dar. Ihm ginge es erstmal um die Schaffung neuer Rahmenbedingungen, ließ Dürr dort verlauten. Dazu zählte er:

  • Entwicklung eines "schlüssigen" Gesamtkonzepts von Seiten der DDR, was die "Härten" berücksichtigt, die dabei entstehen werden, so. z.B. die "Übergangsarbeitslosigkeit";
  • Herausbildung einer neuen "flexiblen" Managerschicht in der DDR;
  • Umwandlung des Staates in eine "dienende Bürokratie";
  • ein am Westen orientiertes "durchschaubares" Steuersystem;
  • "freie" Preisbildung und konvertible Währung;
  • Investitionen von DDR-Seite ins sogenannte "Humankapital";
  • Neuordnung der Cocom-Liste;

Ansonsten verwies er auf das "Bülow-Papier", hierin sähe er die richtige Richtung. Wodurch das Verhältnis dieser beiden und der anderen Kapitalisten zueinander ökonomisch bestimmt wird, dem einen steht das Wasser am Hals, der andere hat noch den langen Atem, das hat Karl Marx bereits im "Kapital" treffend analysiert:

"Solange alles gut geht, agiert die Konkurrenz-.als praktische Brüderschaft der Kapitalistenklasse, so daß sie sich gemeinschaftlich, im Verhältnis zur Größe des von jedem eingesetzten Loses, in die gemeinschaftliche Beute teilt. Sobald es sich aber nicht mehr um die Teilung des Profits handelt, sondern um Teilung des Verlustes, sucht jeder soviel wie möglich sein Quantum an dem selben zu verringern und dem ändern auf den Hals zu schieben. Der Verlust ist unvermeidlich für die Klasse. Wieviel aber jede einzelne davon zu tragen, wieweit er überhaupt daran teilzunehmen hat, wird dann Frage der Macht und der List, und die Konkurrenz verwandelt sich dann in einen Kampf der feindlichen Brüder." (MEW 25, S.263)

Und solche Gesetzmäßigkeiten werden demnächst auch die DDR bestimmen. Dabei dürfte es für das DDR-Proletariat einerlei sein, ob es sich um BRD-Kapital handelt oder ob es vom eigenen, japanischen, französischen oder belgischen oder sonst welchem gesaugt wird.

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