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Löcher in der Mauer
Materialiensammlung
DDR 1989

Neue Chronik DDR
1. Folge 2. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3730305822  
2. Folge 1. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3-7303-0594-8

21. Oktober 1989

In einem Telefongespräch lädt Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow SED-Generalsekretär Egon Krenz zu einem Besuch in die Sowjetunion ein. Weiter heißt es u. a. in der von ADN verbreiteten Meldung:

"( ... ) Generalsekretär Krenz dankte für die Einladung und betonte, der Besuch werde die Möglichkeit bieten, über die Politik der Erneuerung und der Kontinuität in der DDR, über die vom ZK der SED in Angriff genommenen Aufgaben zu informieren, sich an Ort und Stelle mit der Entwicklung in der Sowjetunion vertraut zu machen und Fragen der weiteren Zusammenarbeit auf allen Gebieten zu besprechen. Man werde zugleich Gelegenheit haben, aktuelle Aspekte des gemeinsamen Wirkens für Abrüstung und Friedenssicherung zu erörtern. Beide Politiker bekräftigen ihre Überzeugung, daß der Schulterschluß zwischen SED und KPdSU heute wie in der Vergangenheit ein entscheidendes Element des gemeinsamen Ringens für Sozialismus und Frieden ist. ( ... )"

(ND, 23. 10. 1989)

Zu einer nicht genehmigten Demonstration von etwa 1 200 Menschen kommt es im Zentrum Berlins. Eine Menschenkette bildet sich zwischen Karl-Liebknecht-Straße und Polizeipräsidium. Es wird die Freilassung noch Inhaftierter der Ereignisse um den 7. Oktober herum gefordert. SED-Politbüromitglied Günter Schabowski, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, stellt sich mit anderen SED- und Staalsfunktionären den Demonstranten zur Diskussion. Es kommt zu heftigem, teils kontroversem Meinungsstreit, aus dem das Mißtrauen der Demonstranten gegenüber der von der SED-Führung "eingeleiteten Wende" unüberhörbar ist. Dazu Schabowski: "Wir werden eine Zeitlang damit leben müssen, daß alles, was wir jetzt machen, als eine Falle, als ein Trick ausgelegt oder von manchen so verdächtigt wird, obwohl das nicht so ist." Mutmaßungen oder Unterstellungen in dieser Richtung hätten keine Grundlage. "Die Partei, das Zentralkomitee und unser Generalsekretär Egon Krenz meinen es ernst."

Rund 20 000 Bürger (laut ADN, Neues Forum nennt die Zahl 50 000) demonstrieren in Plauen und fordern u. a. Reisefreiheit und Meinungsfreiheit. Oberbürgermeister Dr. Norbert Martin verspricht den Bürgern gerechtere Verteilung von Wohnungen und Umverteilung der Baukapazität der Stadt, um Plauener Probleme schneller zu lösen.

Vor der Synode der sächsischen Landeskirche in Dresden fordert Bischof Johannes Hempel die DDR-Führung auf, sich für das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten öffentlich zu entschuldigen. Das Dresdener Landeskirchenamt hat der Synode einen nach Augenzeugen-Aussagen zusammengestellten Bericht vorgelegt. Darin wird die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission gefordert.

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