Unruhe an den Universitäten

Eine Umfrage an den deutschen Hochschulen

Von Hilke Schlaeger und Heinz Josef Herbort

Aus: Die Zeit (Feuilleton) v. 10.11.1967, S. 17f

FU Berlin

Sechs Stunden stritten sich die Sprecher der verschiedensten Gruppen, dann erzwang eine anonyme Bombendrohung die Räumung des Auditorium Maximum in Dahlem: Am 1. November fand die Gründungsversammlung der Kritischen Universität statt. Rund zweitausend Studenten aller Berliner Hochschulen waren versammelt, und Professor Gottschalch von der Pädagogischen Hochschule sprach über den Mangel an Demokratie in der Bundesrepublik. Die Unsicherheit vieler Studenten, ob es sich bei der KU um verantwortliche Wissenschaft oder um ein Kampfmittel der außerparlamentarischen Opposition handele, zeigte sich darin daß die Versammlung der Vorschlag des AStA billigte, bei den Wahlen zum nächsten Konvent im Dezember gleichzeitig auch über dás Programm und die Organisationsform der KU abzustimmen. Das Kuratorium der FU lehnte den Antrag der Studenten ab, die im Frühjahr gestrichenen 47 000 Mark wieder in den Etat der Studentenvertretung einzufügen; fünfzig Berliner Professoren setzten sich in einer Zwölf-Punkte-Erklärung für die Diskussion mit den Studenten ein und warnten vor administrativen Maßnahmen gegen die KU. Das Berliner Verwaltungsgericht sprach dem Konvent der FU das politische Mandat ab, und der Wissenschaftssenator hob daraufhin im Wege der Rechtsaufsicht einen Konventsbeschluß auf, der die Studenten zur Demonstration gegen den Vietnam-Krieg aufforderte; demonstriert wurde trotzdem. Der neue AStA-Vorsitzende ist Mitglied der SPD und des Republikanischen Klubs und wurde im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit gewählt. Für Januar ist ein Springer-Tribunal geplant. Das Hauptverfahren gegen Fritz Teufel wegen Landfriedensbruch hat begonnen. An der FU steht ein heißer Winter bevor.