EXTRA-DOKUMENTATION
WESTBERLINER APO-GRUPPEN
ÜBER IHREN STANDORT

Quelle: Berliner EXTRA-Dienst vom 23. und 26.Oktober 1968


Der Westberliner Journalist Peter van Spall hat sich die Mühe gemacht, alle Gruppen und Verbände der Außerparlamentarischen Opposition mit einem Fragebogen zu bedenken, in dem nach ihrem Standort innerhalb der APO gefragt wird. Bedauerlicherweise haben wichtige APO-Gruppen nicht geantwortet, so nicht der SDS, nicht der LSD und nicht die verschiedenen Studentenvertretungen an den Hochschulen. Andererseits zeigt die gerade von kleineren Gruppen beantwortete Umfrage, daß die Außerparlamentarische Opposition breiter ist, als vielfach angenommen, und daß es doch mehr Gemeinsamkeiten gibt als trennende Positionen. Andererseits offenbaren manche Antworten, daß einige APO-Gruppen sich von den Wort- und damit Denkklischees der herrschenden Staats- und Gesellschaftsmacht nicht zu trennen vermochte; es zeigt sich da und dort auch Unvermögen, Einzelfakten in einen politischen Gesamtzusammenhang zu stellen, zuweilen auch schlichte Desinformiertheit.

Aus redaktionellen Gründen veröffentlichen wir die Antworten der einzelnen Gruppen leicht gekürzt, beziehungsweise sind einzelne Antworten des besseren Zusammenhangs wegen zusammengezogen. Eine Frage und die dazu eingegangenen Antworten - die Notstandsgesetzgebung betreffend - wurde aus der Dokumentation gestrichen; sie betrifft die derzeit nicht aktuellen Fragen von "Gewalt" und "Gegengewalt". Die Umfrage wurde im Sommer dieses Jahres durchgeführt; die Antworten gingen im Juni und Juli 1968 ein und wurden jetzt ausgewertet. EXTRA-Dienst veröffentlicht in dieser Ausgabe den ersten Teil der Umfrage. Der zweite Teil folgt in einer der nächsten Nummern.

 

FRAGE l: Nennen Sie uns einige der wichtigsten Punkte Ihres Programms, das Sie innerhalb der APO vertreten.

 

FALKEN (Antworten Heinz Beinert, Landessekretär): Die APO ist keine dauernde und geschlossene Organisation. Sie hat deshalb auch kein Programm. So gesehen haben unsere Genossen, die einen Teil unseres Verbandes bei der APO repräsentieren, dort auch nochkeine "Programmpunkte" eingebracht. Bei notwendigen Anlässen finden wir uns mit anderen Organisationen zur Aktion zusammen, wie z. B. nach dem Attentat auf Rudi Dutschke und zum l. Mai.

AUSS - sozialistische Schüler und Lehrlinge (Antworten: Ezra Gerhardt): Als Marxist strebe ich eine revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft zum Zwecke der Emanzipation des Menschen an. Revolution aber impliziert die Anwendung von Gewalt. Für eine sozialistische Ubergangsgesellschaft sehe ich noch immer die Möglichkeit der Diktatur des Proletariats und der sich mit dessen Interessen identifizierenden Individuen - vertreten durch eine im Ansatz rätedemokratisch strukturierte Kommunistische Partei, die in einem späteren Stadium der revolutionären Entwicklung zu schaffen wäre.

DEUTSCHE PFADFINDERSCHAFT ST. GEORG (Politischer Arbeitskreis des katholischen Verbandes, Antworten: Michael Ehrke): Es gilt, einen von der christlichen Utopie her gesteuerten demokratischen Sozialismus herbeizuführen. Zunächst aber muß eine Bewußtseinslage der Lohnabhängigen, Schüler, Studenten und sonstiger Eliten erreicht werden, die eine breite Basis der Bewegung garantiert. Wir im Jugendverband erfüllen daher zunächst eine Randfunktion, indem wir zur Aufklärung über den gesellschaftlichen Immobilismus und seine wirtschaftlichen und politischen Hintergründe beitragen, indem wir konkret antiautoritäres Verhalten und Veränderung einüben. Unser politisches Handeln beschränkt sich also zunächst darauf, den Raum frei zu kämpfen, aus dem der Bewegung neue Kraft zuwachsen mögen. Dies ist aber eine Kampfansage der Bevormundung durch die kirchliche Hierarchie und ihre irrationalen Privilegien, gegen jede "Erziehungsdiktatur", durch die die Jugend auf ein bestimmtes Gesellschaftsbild hin manipuliert oder zur Anpassung gezwungen werden soll, also auch gegen die Monopolisierung der Jugendpresse durch Springer (bisher viel zu wenig beachtet), letztlich eine Kampfansage jeglichem apolitischen Verhalten der Jugendverbände, die heute doch noch Millionen Mitglieder haben.

CHRISTLICHER FRIEDENSDIENST (Arbeitskreis Verständigungshilfe, Antworten: Klaus Ehrler): Vom CFD Westberlin ist der AK VH zur APO zu rechnen. Der AK VH bemüht sich um eine spezifische Westberliner Friedenspolitik, um eine Friedenspolitik von Westberlinern für Westberliner, d.h. um die Schaffung informatorischer Voraussetzungen unter christlich engagierten Bevölkerungskreisen für ihr besseres und qualifiziert verstärktes Friedensengagement im Rahmen und im Interesse des problematischen Gemeinwesens Westberlin. Demokratisierung im Innern, Verständigung nach außen, insbesondre zum einzigen Direkt-Nachbarn DDR, grundsätzliche Reflexionen und Analysen zu Fragen friedlich praktizierbarer Zukunftsentwicklungen mit besonderen lokal- und regionalpolitischen Bezügen werden und wurden in Seminaren, Diskussionen, Vertrags- und Podiumsgesprächsveranstaltungen, z.B. mit dem früheren Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz, vertreten, entwickelt, argumentativ unterbaut und als Postulat gesellschaftlicher Auseinandersetzung verkündet. Der spezifisch detaillierteste Beitrag dieser Arbeit war der Entwurf eines Normalisierungs-Abkommens zwischen dem Senat von Westberlin und der Regierung der DDR, der im Verlauf der APO-Aktion zur DDR-Anerkennung als Flugblatt verbreitet und in der Evangelischen Akademie im Rahmen einer Vortragsveranstaltung bekanntgegeben und begründet wurde.

SOZIALDEMOKRATISCHER HOCHSCHULBUND (Antworten: Langenbach): Von der prinzipiellen Opposition zur SPD-Politik ausgehend sieht der SHB seine spezielle Aufgabe innerhalb der APO darin, die lohnabhängigen Mitglieder der SPD über die Integrationsfunktion der SPD-Politik in das herrschende System aufzuklären. Während der SDS hauptsächlich versucht, bewußtseinsbildend - im Sinne von Aufklärung über den gesellschaftlichen Standort des einzelnen und über das gesellschaftliche Interesse der entsprechenden Gruppe - in die Gewerkschaften hineinzuwirken, versucht der SHB diese Aufgabe innerhalb der SPD-Mitglieder zu lösen, da dort sowohl ein Potential besteht, das nicht einfach ausgeklammert werden darf, als auch der SHB derzeit die einzige Gruppierung der APO ist, die diese Aufgabe übernehmen kann. Es gilt, durch Aufklärung und konkrete politische Kampagnen Bewußtsein an der Basis der SPD darüber herzustellen, daß eine Partei, die die Interessen der Lohnabhängigen vertritt, zwangsläufig antikapitalistisch sein muß, und daß Antikapitalismus und Integration in das herrschende kapitalistische System einander ausschließen.

Bei der Frage, wie man dieses Bewußtsein schafft, um es dann in die Realität umzusetzen, stellt sich für die Verbände der APO die Frage nach der Dialektik von Reform und Revolution. Revolution kann heute in ihrer zeitlichen Komponente nicht mehr kurzfristig verstanden werden. Wer auf die Situation für den einen großen Umsturz wartet, hindert sich daran, in der Gegenwart politisch aktiv zu sein. Wer glaubt, nur durch Bewußtseinsbildung die revolutionäre Situation schaffen zu können, übersieht, daß die Differenz von Bewußtsein und Realität ein gewisses Maß nicht übersteigen darf. Denn sonst erliegt das Bewußtsein den Einflüssen der Realität, der einzelne paßt sich an, oder er behält sein Bewußtsein und zieht sich in die "innere Emigration" zurück. Wir verstehen Revolution als qualitative, auf die im sozialistischen Sinne betriebene Folge von Reformen.

NEUER ROTER TURM - sozialistische Schülergruppe (Antworten: Peter Brandt): Die Gruppe versteht sich als einender Kerne, aus denen sich die revolutionär-sozialistische Organisation der Jugend entwickeln wird. Daher arbeitet sie in Schüler- und Berufsschüler-Aktionsgruppen an Schulen und Betrieben, im SDS und in den "Falken", um in Zusammenarbeit mit verwandten Gruppen und Individuen eine revolutionär-marxistische Tendenz auf BRD-Rahmen zu begründen helfen. In der theoretischen Diskussion stütze sich die Gruppe auf die revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung und deren bedeutendste Verfechter im 20. Jahrhundert: Lenin, Luxemburg und Trotzki. Als Marxisten kämpfen wir für den Sturz des Kapitalismus und die Diktatur des Proletariats als Vorbedingung der klassenlosen Gesellschaft. Wir meinen, daß die Internationalisierung des Kapitals und die Tatsache, daß der Imperialismus seinen Kampf global führt, alle Vorstellungen vom "Sozialismus in einer Stadt" (Westberlin) als kleinbürgerliche Illusion entlarven. Ein sozialistisches Westberlin ist nur denkbar als unmittelbares Vorspiel der sozialistischen Revolution in ganz Deutschland.

EUROPÄISCH-FÖDERALISTISCHER STUDENTENVERBAND - EFS (Antworten: Otfried Scholz): Die Ausgangs Situation ist gekennzeichnet durch die spätkapitalistische Industriegesellschaft im Westen und durch "aufbrechende" sozialistische totalitäre Gesellschaften im Osten Europas. Die strukturellen Probleme der spätkapitalistischen Industriegesellschaft liegen in der Konzentration der ökonomischen und politischen Macht ohne entsprechendegesellschaftlich-politische Kontrollen. Das Problem des Parlamentarismus stellt sich als das eines bloßen institutionellen Überbaus über weitgehend unkontrolliert bleibenden gesellschaftlich-politischen Prozessen und Entscheidungen. Diese Erscheinungen begünstigen eine "Verkrustung" der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Struk^ turen und eine Perpetuierung der gegenwärtigen Machtverhältnisse. Die gesellschaftspolitische Zukunft Europas kann nur in einem "offenen" Europa liegen - "offen" nicht nur im geographischen sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Dieses "offene" Europa fordert die Öffnung nach Osten nicht um der Schwächung, sondern um der "Liberalisierung" des Kommunismus und um unserer eigenen Demokratisierung willen.

AKTIONSGEMEINSCHAFT UNABHÄNGIGER DEUTSCHER (AUD, Antworten: Dieter Kersten):In unserem "Programm für Deutschland" fordern wir in großen Leitlinien ein neues wirtschafts-und gesellschaftspolitisches Ordnungsbild. Dazugehören: Rahmenplanung auf der Grundlage einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung; eine dem Volksganzen verantwortliche Selbstverwaltung der Wirtschaft; einen Wirtschafts- und Sozialrat als zweite Kammer; Beseitigung der politischen Vormachtstellung des Großkapitals durch Wirtschaftsdemokratie; Verantwortungseigentum an Grund und Boden und Produktionsmitteln anstatt Privateigentum; Partnerschaftssystem im industriellen Betrieb als eine moderne Form einer Betriebsgenossenschaft.

HUMANISTISCHE UNION (HU, Antworten: Rolf Hildebrand): Man kann die Humanistische Union nur bedingt zur Außerparlamentarischen Opposition zählen. Sie arbeitet mit allen Kräften außerhalb und innerhalb der Parlamentsparteien zusammen, die radikal-demokratisch die Entwicklungstendenzen in der BRD in Richtung eines totalitären Obrigkeitsstaates bekämpfen Die HU setzt sich für die Chancengleichheit im Bildungswesen, eine demokratischere Erziehung in den Schulen und den Abbau autoritärer Strukturen in den Universitäten und der übrigen Gesellschaft ein. Sie bekämpft alle Versuche von Interessengruppen und Staatsgewalt, die Meinungs- und Informationsfreiheit einzuschränken, mißliebige Minderheiten zu unterdrücken und die Rechts Staatlichkeit auszuhöhlen. Die HUbemüht sich, die Zahl der wachen undkritischen Staatsbürger in unserem Lande durch vielfältige Aufklärungsarbeit zu vergrößern.

DEUTSCHE JUNGDEMOKRATEN (DJD, Antworten: Axel Kammholz): Wir erkennen die Berechtigung vieler Forderungen der APO an, wollen aber verhindern, daß die außerparlamentarische Opposition zu einer antiparlamentarischen wird.

 

FRAGE 2: Sind Sie für eine Sozialisierung aller bzw. einiger Teilbereiche der Wirtschaft, oder entwickeln Sie eine eigene Vorstellung zur demokratischen Neuordnung unserer Gesellschaft?

 

FALKEN: Wir treten ein für eine Veränderung der Gesellschaft in eine sozialistische Demokratie. Das schließt natürlich ein die Vergesellschaftung der Produktions mittel und deren Selbstverwaltung durch die Produzenten. In welcher Form die werktätigen Massen in einer neuen Gesellschaft ihren direkten Einfluß ausüben, darüber gibt es auch bei uns unterschiedliche Auffassungen. Aber es gibt bei uns beispielsweise Diskussionen über Rätedemokratie. Ich persönlich glaube, daß das Rätesystem die demokratischste Form der Selbstverwaltung in der sozialistischen Gesellschaft ist.

AUSS: Ich bin für die Sozialisierung aller Industrien und der großen Bauernhöfe. Erscheinungen wie Kleinhändler und Kleinbauern werden entweder zuerst durch Diskussion von einer rationelleren Verfahrensweise überzeugt oder das Problem wird durch die wirtschaftliche Entwicklung (Konzentrationserscheinungen) von selbst aufgehoben.

DEUTSCHE PFADFINDERSCHAFT ST. GEORG: Eine schöpferische Entfaltung des Einzelnen wird nur möglich, wenn er eine wirksame Kontrolle über die Produktionskräfte ausübt und selbst ander Verteilung des Reichtums beteiligt ist. Dies dürfte nicht einfach mit Sozialisierung im Sinne von Verstaatlichung oder mit qualifizierter Mitbestimmung zu erreichen sein. An die Stelle der privat- oder staatskapitalistischen Unternehmensführung sollte in allen Bereichen der Wirtschaft ein Rätesystem von Arbeitern und Angestellten eingeführt werden. Dies widerspricht nicht dem Privateigentum, sondern nur der politischen de-facto-Definition von Privateigentum als dem Riesenkapital einiger weniger.

CHRISTLICHER FRIEDENSDIENST: Die Großindustrie, die ohnehin aus Steuermitteln Investitionshilfen bekommt, sollte schrittweise in fünf bis zehn Jahren sozialisiert werden. Der Handel und die Kleinindustrie sollen privat bleiben oder "halbsozialisiert", d.h. mit gesamtgesellschaftlicher Kapital- und Investitionsbeteiligung, weitergeführt werden. Qualifizierte Mitbestimmung je nach Experten- und Abnehmerkompetenz soll zu einer spezifischen Wirtschaftsdemokratisierung führen.

SOZIALDEMOKRATISCHER HOCHSCHULBUND: Es ist den Politikern der Bundesrepublik nach 1945 gelungen, die Bedeutung des wirtschaftlichen Bereichs für die Struktur der Gesellschaft herunterzuspielen und so im Bewußtsein des einzelnen eine Trennung zwischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung herbeizuführen. Der einzelne empfindet nicht den Widerspruch zwischen seiner Situation am Arbeitsplatz, die von autoritären Abhängigkeitsverhältnissen bestimmt ist, und der gesellschaftlichen Ordnung, die sich scheinbar demokratisch organisiert. Um diesen Widerspruch aufzulösen, ist eine Selbstbestimmung des einzelnen am Arbeitsplatz notwendig, die die Demokratie, die heute nur als abstraktes politisches Bewußtsein in den Köpfen einiger besteht, für jeden in seinem entscheidenden Bereich, am Arbeitsplatz, verwirklicht. Diese Selbstbestimmung, die Sozialisierung bedeutet, muß, will sie sich nicht als Spielwiese weniger Engagierter oder in Verbänden und Gewerkschaften organisierter Funktionäre darstellen, in allen Bereichen der Wirtschaft verwirklicht werden.

NEUER ROTER TURM: Die Sozialisierung der Wirtschaft entreißt der Bourgeoisie die Macht und schafft somit die Voraussetzung für eine herrschaftslose Organisation der Gesellschaft. Das Absterbendes Staates erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern nur dann, wenn die Räte als Träger der proletarischen Demokratie von Organen der Doppelherrschaft zu Machtorganen der neuen Staatsmacht werden und dadurch der bürokratischen Entartung des Arbeiterstaates einen Riegel vorschieben.

EUROPÄISCH-FÖDERALISTISCHER STUDENTENVERBAND: Einige Teilbereiche der Wirtschaft sind zu sozialisieren, bei anderen sollte das Prinzip der Vergenossenschaftlichung erwogen werden.

AUD: Wir sind für eine Sozialisierung der Grundstoffindustrie, wo es im volkswirtschaftlichen Interesse notwendig und sinnvoll ist. Wir treten für Nationalisierung marktbeherrschender Monopole ein. Die Demokratisierung im gesellschaftspolitischen Raum muß analog zur Demokratisierung im Betrieb erfolgen. Parteien können und dürfen nicht Monopole der politischen Willensbildung sein. Die Diskussion über einen möglichen Modus der Abwahl eines Abgeordneten wird in der AUD noch diskutiert. Der Wegfall der 5%-Klausel und die Möglichkeit der Wahl von nicht parteigebundenen Kandidaten ist eine selbstverständliche Forderung.

HUMANISTISCHE UNION: Die HU hat bisher zu Fragen der Sozialisierung keine eigenen Vorstellungen entwickelt. Die aus anderen Ländern, insbesondere der östlichen Hemisphäre, bekanntgewordenen Beispiele durchgeführter Sozialisierung beweisen, daß allein dadurch keine demokratische Neuordnung der Gesellschaft zu erreichen ist. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß in unserer derzeitigen Gesellschaftsform noch keine befriedigenden Kontrollen gegen den politischen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht eingebaut sind.

DEUTSCHE JUNGDEMOKRATEN: Wir sind gegen eine Sozialisierung auch von Teilbereichen der Wirtschaft und haben eigene Vorstellungen zur demokratischen Neuordnung der Gesellschaft entwickelt.

 

FRAGE 3: Wie beurteilen Sie die sozialistische Praxis der kommunistisch regierten Länder? (die Fragen wurden vor dem 21. August, dem Tag der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR, beantwortet).

 

FALKEN: Zur sozialistischen Praxis gehört nicht nur die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Von einer sozialistischen Gesellschaft kann man erst sprechen, wenn die Massen auch die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel haben, und diese nicht durch eine kaum kontrollierte Bürokratie "verwaltet" werden. So gesehen ist es in den Arbeiterstaaten noch ein weiter Weg zur sozialistischen Demokratie, und man darf gespannt die weitere Entwicklung in der CSSR beobachten.

AUSS: Äußerst kritisch stehe ich den sozialistischen Staaten des gemeinhin so genannten Ostblocks gegenüber. Der fast totale Verzicht auf das Schaffen eines revolutionären Be, wußtseins im Volke, die Entfremdung des bürokratischen Parteiapparates von den Mas^ sen führten schließlich von der Diktatur des Proletariats - vertreten in den Kommunistischen Parteien - zu einer Diktatur der Partei über das Proletariat. Eine hoffnungsvollere Perspektive wird uns in der VR China eröffnet. Die enge Verbindung der Partei mit den Volksmassen - ermöglicht durch die Diskussion auf der Basis der permanenten Kritik und Selbstkritik der Kader und der Massen -, die daraus resultierende Selbstorganisation der bewußten Bevölkerungsteile in den regionalen Revolutionskomitees, das Übergreifen der Revolution auf alle Bereiche des Überbaus, lassenunsauf eine bessere sozialistische Zukunft hoffen.

DEUTSCHE PFADFINDERSCHAFT ST. GEORG: Die Eskalation der Rüstungsmaschinerie lenkt auch in den sozialistischen Staaten von der Befriedigung aller Chancen des Bürgers ab. Um diesen gesellschaftlichen Widerspruch - der allerdings aufgezwungen ist - zu übertünchen, haben sich diese Länder teilweise auf kapitalistische Zugeständnisse eingelassen, teilweise unterdrücken sie Kritik durch autoritäre Gewalt. Die Funktionärseliten haben sich bürokratisiert und vom Volk abgelöst. So entstanden auch hier irrationale Privilegien. "Die neue Klasse" regiert. Beide Beispiele zeigen, daß das sozialistische Konzept verwässert und die Gesellschaft erstarrt ist. Es bleibt zu hoffen, daß die Entwicklung in der CSSR ein neues Exempel wird, das - wie Robert Havemann meint - zeigt, daß Sozialismus und Demokratie wesensverwandt sind.

CHRISTLICHER FRIEDENSDIENST: Wir lehnen es ab, uns dadurch bei Establishment und Bevölkerung "glaubwürdig" zu machen, daß wir uns von der politischen Praxis der kommunistisch regierten Länder erst einmal a priori "distanzieren". Man hat uns oft gesagt, auch von eigenen Weggenossen aus, wir gehörten nicht hierher, sondern "auf die andere Seite"; aber das beruht nur noch auf der aufrechterhaltenen Verkennung der Interessenlage Westberlins und der Erfordernisse seiner friedlichen und demokratischen Weiterentwicklung. Kultur-, erziehungs- und wirtschaftspolitisch ist viel von den osteuropäischen Ländern einschließlich der DDR zu lernen, z. B. im Hinblick auf polytechnische Erziehung und halbsozialisierte Unternehmen in Industrie und Handel, nicht zuletzt auch bezüglich der materiellen und sozialen Stellung von Wissenschaftlern, Künstlern und Schriftstellern.

SOZIALDEMOKRATISCHER HOCHSCHULBUND: Die Diskussion über das Verhältnis von progressiven sozialistischen Gruppen in den kapitalistischen Ländern und der sozialistischen Praxis in denkommunistisch regierten Ländern wurde zuerst in der APO verdrängt. Ihren Grund hatte diese Verdrängung nicht so sehr in der Unfähigkeit, diese Diskussion zu führen oder in einer unkritischen Haltung gegenüber der sozialistischen Praxis, sondern in der Schwierigkeit, in einem antikommunistischen Klima, wie es in der Bundesrepublik und besonders in Westberlin besteht, eine differenzierte sozialistische Opposition gegenüber der sozialistischen Praxis der kommunistisch regierten Länder zu arti-^llieren. Durch die Präge nach dem Verhältnis der APO zur SED-Westberlin und auch durch die Ereignisse in der CSSR und Warschau begann dann aber die intensive Auseinandersetzung. Mit diesen beiden Problemen werden auch gleich die beiden gegensätzlichen Positionen sozialistischer Praxis angesprochen: Die stalinistische Praxis in der DDR einerseits, die zur Zeit noch experimentelle Verbindung von Demokratie und Sozialismus inder CSSR andererseits. Weder die Selbstbestimmung noch die Einheit von wirtschaftlicher Ordnung und Struktur der Gesellschaft ist - unter der zum Teil begründeten Angst vordem Druck von außen - in der DDR verwirklicht. Wie groß die Angst vor einer offenen Auseinandersetzung der SED-Regierung ist, mußte der SHB bei Kontaktgesprächen mit FDJ-Funktionären erfahren. Gleichzeitig ist eine Tendenz auch in der DDR sichtbar, die den Dogmatismus abbauen könnte: im wirtschaftlichen Bereich sind Ansätze zur Selbstbestimmung zu beobachten, die, sollte die Trennung von Wirtschaft und politischer Ordnung aufgehoben werden, den Führungsanspruch der Partei zugunsten funktionaler Autorität abbauen würde.

NEUER ROTER TURM: In all diesen Ländern hat das Proletariat die Macht an eine neue Bürokratie verloren, die jedoch keine neue Klasse ist. Die Aufgabe besteht daher nicht in der sozialen; sondern in der politischen Revolution der Arbeiterklasse zur Wiederherstellung bzw. Errichtung der proletarischen Rätedemokratie. In Kuba ist die Frage der Bürokratisierung noch nicht entschieden. Letztlich wird jedoch auch dort nur die Schaffung von Machtorganen der Arbeiter verhindern können, daß die Revolution entartet.

EUROPÄISCH-FÖDERALISTISCHER STUDENTENVERBAND: Wir sehen die CSSR z. Zt. als beispielgebend an, indem sie die abzulehnenden Praktiken wie z. B. Meinungseinschränkung, Überwachung und Scheingerichtsverhandlungen (vgl. etwa Schriftstellerprozesse in Moskau) aufhebt. Begrüßenswert also aus unserer Sicht: Abwendung vom stalinistischen System, Abbau der Verbürokratisierung. Orthodoxester und "beschränktester" Staat unseres Erachtens die DDR; z. T. vielleicht Ergebnis auch der Bonner Nichtanerkennungstaktik (quasi Igelstellung?)

AUD: Die AUD hat nicht die Absicht, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu mischen. Der Stalinismus, vergleichbar mit dem Faschismus, ist noch nicht in allen Ländern überwunden. Insbesondere sind die Herrschaftsstrukturen der DDR mit der Bundesrepublik vergleichbar.

HUMANISTISCHE UNION: Siehe Antwort auf Frage 2.

DEUTSCHE JUNGDEMOKRATEN: Wir begrüßen die Demokratisierungsprozesse (CSSR, Rumänien, Ungarn) und meinen, daß sich langfristig in ost- und westlichen Ländern ein annähernd gleiches Demokratie-Verständnis entwickeln wird.

 

EXTRA-DOKUMENTATION

WESTBERLINER APO-GRUPPEN ÜBER IHREN STANDORT (II)

EXTRA-Dienst beendet heute seine Dokumentation über eine Umfrage, die der Journalist Peter van Spall bei Gruppen und Verbänden der Westberliner Außerparlamentarischen Opposition veranstaltet hatte (Teil I in Nummer 85/11). In der ersten Ausgabe hatten sich einzelne Gruppen über ihre Position in der APO, über ihre Vorstellungen zu Wirtschafts- und Gesellschaftsformen und über ihr Verhältnis zu den etablierten sozialistischen Systemen geäußert. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir die eingegangenen Antworten zur Frage eines Aktionsbündnisses innerhalb der APO und zu einer Beteiligung an Wahlkämpfen innerhalb einer Formaldemokratie. Die Antworten sind unwesentlich gekürzt. Zur Einschätzung der Umfrage durch EXTRA-Dienst siehe redaktionelle Einleitung in Ausgabe 85/11.

 

FRAGE 4: Wodurch kann ein Zusammengehen sozialistischer, christlich-progressiver und anderer fortschrittlicher Gruppen erreicht werden?

 

FALKEN: Eine Zusammenarbeit kann sich nur von Fall zu Fall ergeben, bei bestimmten politischen Aktionen, aber auch da schon nicht bei allen, soll nicht ein unappetitlicher Einheitsbrei herauskommen, der zu gesellschaftlichen Blähungen führt, nicht aber zu Fortschritt und Veränderung. Daneben muß die theoretische Diskussion stehen. Aber auch nicht unter der dümmlichen Parole, das Trennende beiseite zu schieben und nur das Gemeinsame zu sehen. Eine solche Diskussionhilft keiner der beteiligten Gruppen und schon gar nicht der Sache. Die Diskussion muß in aller Schärfe und Deutlichkeit und Offenheit - und in aller Öffentlichkeit - geführt werden, denn es gilt ja gesellschaftspolitische Lösungen zufinden. Bei solchen Diskussionen wird sich dann herausstellen, ein wie weites Stück Weges man gemeinsam gehen kann.

AUSS: Ich sehe die Notwendigkeit einer solchen allumfassenden Zusammenarbeit nur im Zusammenhang mit besonderen Aktionen, die unter Umständen ein temporäres Bündnis mit den genannten Gruppen erforderlich machen würde. An der Institutionalisierung eines solchen Bündnisses kann wohl kein ernsthafter Sozialist Interesse zeigen. Durch die dadurch entstehende mangelhafte Abgrenzung der verschiedenen Standpunkte könnten wir dann nur eine Verwässerung unserer Aktionen erzielen.

DEUTSCHE PFADFINDERSCHAFT ST. GEORG: Zunächst muß ein Kampf gegen jede Kirchlichkeit des Christentums geführt werden, die die revolutionären Kräfte des Christentums behindert. Dann werden die Christen zur Gesellschaftskritik fähig. Diese Rückw besinnung auf die eigentlichen Aufgaben des Christen kann für den Marxismus eine Hilfe, ja eine Weiterentwicklung seiner Utopie bedeuten. Der Dialog hierüber kann beiden Gruppen zeigen, daß ein unauflösbarer Widerspruch zwischen Marxismus und Christenturn nicht bestehen muß und dabei zur Basis für eine neue Aktionsgemeinschaft werden, der sich auch andere Gruppen anschließen können.

CHRISTLICHER FRIEDENSDIENST: Durch Nicht-Diskriminierung, gegenseitiges Anhören und Lernen, Öffentlichkeit des Argumentierens und gemeinsame Realisierung des gemeinsam Beschlossenen.

SHB: Einzelne Gruppen in der APO geben sich mit einer Defensivhaltung gegenüber den repressiven Maßnahmen des herrschenden Systems zufrieden, während für die Mehrzahl der APO diese Haltung nur der Ausgangspunkt für eine offensive Weiterentwicklung der Gesellschaft zum Sozialismus hin ist. Im Stadium der akuten Bedrohung der noch vorhandenen Freiheitsräume tritt dieser weiterführende Gegensatz in den Hintergrund. Er muß jedoch, den verschiedenenAnsätzen entsprechend, bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft offen ausgetragen werden.

NEUER ROTER TURM: Die Aktionseinheit ist mit jedem einzugehen, der dazu bereit ist. Die revolutionären Marxisten dürfen jedoch ihren Versuch, durch Polemik und Diskussion die Anhänger der reformistischen, liberalen und stalinistischen Gruppen zu gewinnen, auf keinen Fall aufgeben. Gerade in der Aktion zeigt sich, wer der konsequenteste Vertreter der antikapitalistischen Bewegung ist.

EUROPÄISCH-FÖDERALISTISCHER STUDENTENVERBAND: Die Zusammenarbeit und das Wahlbündnis der genannten Gruppen können befürwortet werden, umso mehr, als beim bestehenden Verbot der KPD und dem verdächtigen Zuspruch der NPD (im doppelten Sinne, indem zumindest die CSU dem Nationalismus unverblümt die Parole redet, die CDU wohl etwas verschämter) eine organisierte "Linke" noch fehlt. Maxime für ein solches Zusammengehen müßte die Offenheit für alle sich demokratisch-sozialistisch verstehenden Kräfte sein.

AUD: Eine Zusammenarbeit aller Gruppen ist deshalb problematisch, weil teilweise ideologisch vorgefaßte Meinungen und Forderungen in den Vordergrund gestellt werden. Wenn aber irgendeine Gruppe in Deutschland tatsächlich Änderungen erreichen will, so muß sie versuchen, eine Einigung in folgenden Punkten zu erreichen: Verzicht auf atomare Rüstung oder atomaren Mitbesitz in Deutschland; umfassende Abrüstung der europäischen Staaten; Auflösung der NATO und des Warschauer Paktes zugunsten eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems; Auflösung der EWG und des Comecon zugunsten einer gesamteuropäischen Freihandelszone; Anerkennung der DDR als einen gleichberechtigten teildeutschen Partner; Friedensvertrag für ganz Deutschland.

HUMANISTISCHE UNION: Eine Zusammenarbeit aller progressiven Gruppen ist sehr wünschenswert, aber nur bei Einigung auf ein gemeinsames Minimalprogramm möglich. Voraussetzung ist eine größere gegenseitige Achtung und Toleranz. Jeder Dogmatismus schadet der Demokratisierung. Niemand besitzt die absolute Wahrheit. Eine ständige Überprüfung der jeweiligen eigenen Position ist unabdingbar.

DEUTSCHE JUNGDEMOKRATEN: Durch Konzentration auf die Anliegen, in denen sich die Gruppen einig sind.

 

FRAGE 5: Die DFU befürwortet in einem Aufruf ein Wahlbündnis der demokratisch-sozialistischen Opposition. Wie stehen Sie dazu?

 

FALKEN: Ein solches Wahlbündnis kann ich nicht befürworten. Was kommt dabei heraus? Das, was die DFU mit ihrem unverbindlichen Friede-Freundschaft-Programm in den letzten Jahren erreicht, richtiger nicht erreicht hat. Wenn die sozialistische Linke bei der nächsten Wahl dem Arbeiter eine Alternative zur SPD anbieten soll, dann kann sie das nur als revolutionär-sozialistische Bewegung tun, nicht aber als undefinierbarer Mischmasch mit einem Jedermannsprogramm. Ob allerdings der Zeitpunkt für die Gründung einer solchen Partei schon gekommen ist, bedarf einer gründlichen Analyse. Nur wenn schon größere Teile der Arbeiterschaft dem Ruf einer solchen Partei folgen würden, gäbe es eine realistische Chance. Es dürfte keinesfalls eine Partei der Intellektuellen alleine sein.

AUSS: Die Frage wirft das Problem des Parlamentarismus auf. Ich persönlich sehe in der Schaffung einer Partei und bei der Parlamentsarbeit nur negative Faktoren: Das Entstehen eines Gruppeninteresses der Bürokratie der Beamten und Führer, die ihr Interesse an einer ungestörten Parteientwicklung mit dem der übrigen Revolutionäre identifizieren. Diese Bürokratie widersetzt sich den Massenaktionen beim Schritt in die Illegalität, weil damit durch die Zerschlagung der Organisation durch den Staat an ihr Lebensinteresse gerührt würde. Die Funktionäre entwickeln sich so zum retardierenden Element der revolutionären Bewegung. Die geistige Abhängigkeit der Massen von einer Handvoll "Spezialisten für Klassenangelegenheiten" würde durch eine solche Organisationsform befestigt. Das bedeutet aber wieder Macht der Organisation und der Führer über die Massen.

DEUTSCHE PFADFINDERSCHAFT ST. GEORG: Für die DFU ist dieser Aufruf verständlich. Trotzdem scheint mir gegenwärtig ein Wahlbündnis der Linken mit einer weitge -henden Verwässerung der Kritik der APO einherzugehen, die ja an der Basis angreifen will. Unterwirft sie sich dem jetzigen Mehrheitswahlmechanismus, so würde sie alle Hoffnung auf Aufbrechung des bürgerlichen Bewußtseins begraben müssen. Sie würde als Partei der üblichen Toleranz und damit Nichtbeachtung verfallen. Wenn sie aber den Parlamentarismus erweitern oder ersetzen will, dann muß sie sich zunächst von ihm distanzieren.

CHRISTLICHER FRIEDENSDIENST: Es sollte ein Wahlbündnis aller progressiven und pazifistischen Kräfte für 1969 Zustandekommen, eventuell auch unter neuer Benennung, z.B. als "Linke Mitte", "Wahlblock der Basis-Demokraten".

SHB: Es ist heute eine ambivalente Entscheidung, sich noch auf den parlamentarischen Mechanismus einzulassen, denn der Möglichkeit der Umwandlung von innen heraus steht die Gefahr der Integration gegenüber, wie aus der Wandlung der SPD seit 1914 abzulesen ist. Trotzdem glauben wir auf diesen Weg der Veränderung nicht verzichten zu können. Unter diesem Aspekt haben sozialistische Wahlbündnisse eine Doppelfunktion: einmal als Anspruch an die SPD, sich mit der von ihr aufgegebenen theoretischen Grundlage des demokratischen Sozialismus wieder auseinanderzusetzen, zum anderen als mögliche Basis für eine neue sozialistische Partei. Der Gefahr der Integration innerhalb des Parlaments für die Gruppierung kann nur begegnet werden, wenn in der APO weiter grundlegende theoretische Arbeit geleistet wird, und wenn eine starke außerparlamentarische Opposition auftretende Diskrepanzen zwischen theoretischem Anspruch und politische" Praxis der Gruppierung aufdeckt und der Öffentlichkeit durch Aktionen bewußt macht. Allerdings muß gesehen werden, daß es auch in neuester Zeit einem solchen sozialistischen Wahlbündnis nicht gelang, parlamentarisch Fuß zu fassen. Aus diesem Grund und auch aus der Tatsache heraus, daß der ausschließlich antiautoritär und antiinstitutionell geführte Kampf gegen die SPD und ihre pauschale Diffamierung als "Arbeiter-Verräter-Partei" nicht den Bewußtseinsprozeß des linken SPD-Flügels fördert, sondern zu bewußtseinshemmenden Trotzreaktionen führt, halten wir es für unsere Aufgabe, die innerparteiliche Opposition in der SPD zu stärken und ihr wieder ein theoretisches Fundament zu geben. Die politische Stärkung und innere Profilierung der linken Opposition der Partei dient dabei nicht der Stärkung der SPD im allgemeinen, sondern hilft mit, die Doppelfunktion der SPD (Arbeiter- und Volkspartei) zu zerstören, eine notwendige Voraussetzung, um langfristig eine wirksame antikapitalistische Basis zu erreichen. Auch die innerparteiliche Opposition bedarf der Unterstützung der außerparlamentarischen antikapitalistischen Opposition.

NEUER ROTER TURM: Einige pazifistische Abgeordnete im Bundestag nützen gar nichts. sondern verleihen dem zerfallenden Parlamentarismus allenfalls einen neuen Anschein von Bedeutung. Sinnvolle - einer revolutionären Perspektive untergeordnete - Parlamentsarbeit könnte nur eine marxistisch-leninistische Partei leisten, wie es die KPD bis zur Mitte der zwanziger Jahre war. Diesen Anspruch kann wohl keine der linkssozialdemokratischen und neostalinistischen Parteien und Splittergruppen erheben.

EUROPÄISCH-FÖDERALISTISCHER STUDENTENVERBAND: Schwierigkeit: die Organisierung. Daher müßte die DFU, weil schon organisiert, selbstverständlich in Hinzuziehung der ganzen demokratischen Linken, den Aufbau bzw. eine fortschreitende Einigung der Opposition beginnen. Nicht auszuschließende (parallel laufende zumindest) Möglichkeit: Die Opposition im Parlament zu vermehren durch Stärkung des progressiven Teils der FDP.

AUD: Die Bundestagswahlen im Jahre 1969 werden wahrscheinlich die letzte Chance für alle Oppositionellen sein, in den Bundestag zu kommen - wenn sie sich auf die sicher noch erweiterungsfähigen oben angedeuteten Punkte einigen. Deshalb kann die Aktions -gemeinschaft Unabhängiger Deutscher nur an alle Gruppen appellieren, ihre Gruppen-Egoismenbeiseite zu lassen und im wahrsten Sinne des Wortes eine Aktionsgemeinschaft der Unabhängigen Deutschen zu bilden.

HUMANISTISCHE UNION: Die einseitige Bindung an eine bestimmte Partei würden den politischen Vorstellungen der HU widersprechen. In Berlin spielt die DFU politisch keine Rolle. Deshalb stellt sich das Problem einer möglichen Unterstützung nicht.

DEUTSCHE JUNGDEMOKRATEN: Ein solches Bündnis würde uns nicht berühren, da wir nicht unter demokratisch-sozialistisch firmieren, sondern unter liberal.