Nachrichten aus der Provinz
Die Gründung des Republikanischen Clubs
in Nürnberg, Frühjahr 1968

2. März 1968: In Nürnberg wird der RC Republikanische Club gegründet.

H.W. Blome berichtet: "(Es) . . . .entstand. . . .ein Republikanischer Club mit 2000 Mitgliedern aus dem Bereich des Stammpublikums (des Kabaretts "Dïe Hintertreppe") und 1000 Einzelmitgliedern oder Vertretern von Organisationen. Von der illegalen KPD bis weit in den liberalen Flügel der FDP hinein, ein interessantes, äußerst interessantes Spektrum......Es war ein sehr breites Feld von Angehörigen verschiedener Berufe und Vertretern sehr verschiedener Organisationen in diesen Republikanischen Club, RC, der also fast täglich mit einer Arbeitsgruppe oder einer Großversammlung, einem Meeting tagte, über viele Monate hinweg. Also wirklich wie in vorrevolutionären Zeiten, der 1848er oder der 1789er Revolution, das ähnelte verblüffend daran. All das entwickelt sich dann für lange Zeit in Nürnberg, und dann übrigens weil Nürnberg Zentrum war für Nordbayern im ganzen Raum. Alle Großaktionen z.B. gegen die Notstandsgesetze, z.B. gegen die Vietnam- und Kambodscha-Aggression der USA gingen vom RC aus....es war ein reges, reges Leben, das sich wirklich clubmäßig abspielte."(LS)



Nachrichten aus der Provinz
1968
Die APO in Nürnberg
Texte der APO-Press
und Pressenachrichten
von und über die APO in Nürnberg

Hrg. Walter Bauer
Nürnberg 1998
Libresso

Republikanischer Club

Rundschreiben 2

Anfang März 1968

Aus der Einladung des Berliner Republikanischen Clubs, 67:

"Wohin geht man in dieser Stadt, nachmittags oder abends, wenn es wieder einmal so weit ist? . . . Wenn es darauf ankommt, rasch zu handeln? Wo erfährt man, was nicht in der Zeitung steht? . . . Es fehlt ein Ort, an dem sich, frei von Vereinsmeierei und institutioneller Betriebsamkeit, jene Leute treffen können, deren Horizont noch nicht auf den der Springer-Zeitungen geschrumpft ist: linke Leute, Leute, die im Parlament niemand mehr vertritt; Leute, die dennoch politisch etwas bedeuten. und deren Einfluß, deren Aktionsmöglichkeiten erheblich wachsen könnten, gäbe es einen Ort, an dem sie sich von selber einfánden...Wer ein Zimmer braucht, um politische Fragen zu diskutieren oder Aktionen vorzubereiten, müßte dort finden, was er sucht: ohne Stammtischgeruch, ohne Erlaubnis Seiner Magnifizenz, ohne Saalmiete, ohne behördliche Genehmigung, auf Anhieb und ohne Einmischung des Hausherrn...."

In Nürnberg wurden seit Anfang Januar in Gesprächen Möglichkeiten für die Arbeit der Nürnberger jungen außerparlamentarischen Opposition erörtert. Im Februar deckten sich die Vorstellungen weitgehend mit dem Berliner Modell. Ein tastendes erste Rundschreiben hatte starke Resonanz.

Am 29.2 fand im Gesellschaftshaus "Museum" eine erweiterte Sitzung des offenen Initiativausschusses statt, zu der vom Ausschuß (Stöhr, Knöferl. Kaleck, Rösch, Blome, Schink u.a.) Vertreter parlamentarischer und außerparlamentarischer oppositioneller Gruppierungen eingeladen worden waren. Bei der Sitzung ergab sich eine so günstige und breite Basis, daß eine sofortige Konstituierung des Republikanischen Clubs angeregt wurde. Die Versammelten übergaben der Presse folgende Erklärung:

"Nach dem Berliner Beispiel wurde heute auch in Nürnberg von der außerparlamentarischen Opposition ein Republikanischer Club gegründet. Der RC hat sich zum Ziel gesetzt, durch aufklärende Aktionen und Diskussionen der fortschreitenden Entdemokratisierung der Bundesrepublik entgegenzuwirken.

Unter den über 60 Gründungsmitgliedern befanden sich unter anderen Vertreter der Evangelischen und Katholischen Jugendverbände, der Evangelischen Studentengemeinde (ESG), sowie Angehörige der Jungdemokraten. der Humanistischen Union (HU), der Humanistischen Studentenunion (HSU), des SDS, der FDP, SPD, der Jungsozialisten, Falken, des SHB, DGB, der Deutschen Jungenschaft vom 1.11. (DJ 1.11 ), des Liberalen Studentenbundes (LSD), des Unabhängigen Sozialistischen Schülerbundes (USSB), des Hans-Böckler-Kreises (HBK), des Bundes fiir Geistesfreiheit (BfG), der Schülerpresse, der Kampagne für Demokratie und Abrüstung, des Kuratoriums Notstand der Demokratie, der Deutschen Friedensgesellschaft. der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK) und des Verbandes des Kriegsdienstverweigerer (VK). Von der Universität Erlangen-Nürnberg waren Vertreter des Asta, der Assistentenschaft und des Studentenparlament erschienen.

Als künftiges Zentrum der außerparlamentarischen Opposition will sich der RC gegen die zunehmenden Restaurationstendenzen in der Bundesrepublik wenden und in Theorie und Praxis zur kritischen Bewußtseinsbildung beitragen."

Neben den Erwähnten waren Redakteure, Pfarrer, Anwälte und Theaterleute als Vertreter des anti-autoritären Lagers im liberalen Bürgertum erschienen.

Die Presseerklärung wurde u.a. von der Abendzeitung und Nürnberger Zeitung veröffentlicht, von der Nürnberger Nachrichten, wie erwartet, unterdrückt. Erst als es innerhalb der NN-Redaktion zu einem Protest gegen die erneute Manipulation kam, sah sich das kommunalpolitische Ressort gezwungen, eine Kurzfassung einzurücken.

Bei der Gründungsversammlung erklärte sich ein Teil der Anwesenden bereit, zu einem offen tagenden Rat des Clubs zusammenzutreten, der beauftragt wurde, sich auf einer Sitzung (die am 7.3. mit 30 Teilnehmern stattfand) mit Organisationsprinzipien zu beschäftigen, die im Einklang mit der politischen Zielsetzung steht und eine Vollversammlung aller Mitarbeiter, Gäste, Interessierten einzuberufen.

Diese Vollversammlung des Clubs findet statt am Donnerstag, den 21. März 68, 20 Uhr im Saal der Gaststätte "Löwenbräu am Sterntor" (zwischen Hauptbahnhof und Opernhaus).

Die Vollversammlung ist nicht öffentlich, aber offen für alle Interessenten. Mitbringen! Wenn Sie verhindert sind, schicken Sie Informanten. Es werden 200 Gäste erwartet. Die Presse ist eingeladen. Auf der Vollversammlung werden bisherige Teilnehmer des Rats Vorsehläge unterbreiten und zur Diskussion auffordern.

Tagesordnung und Diskussion sind offen. Nach den Vorstellungen der bisherigen Rats-Teilnehmer soll der Club eine nicht-autoritäre Struktur erhalten, also z.B. keinen Vorstand haben, keine fprmelle Mitgliedschafi, keine Abstimmungen; keine Anträge zur Geschäftsordnung, keine Rednerpulte (kein Oben und Unten) kennen. Das Programm des Clubs ergibt sich aus seiner Arbeit. Der Club soll sich nicht als Dachorganisation, sondern als Sammel- und Kontaktstelle zwischen den verschiedenen oppositionellen Personen und Gruppierungen verstehen, die sich bei aller Differenz über Fernziele einig sind in einer antiautoritären außerparlamentarischen Opposition zu den herrschenden Strukturen. Diese Haltung kann gelegentlich auch die Verlängerung oppositioneller Haltungen im Parlament bedeuten.

Republikanische Clubs gibt es bislang in Berlin, Göttingen, Köln, Mainz, Hamburg, Heidelberg; weitere sind im Gründungsstadium. Vorläufer (Club Voltaire) existieren in Frankfurt, Stuttgart, München; ein Jugendclub Ca ira in Berlin. Die Anschrift des Berliner RC: Wielandstraße 27.

Telefonnummern einiger aktiver Teilnehmer der bisherigen Rats-Versammlungen: Schink 614378 / Altvater 614967 Albert 797201 / Vetter 221743 / Dr. Neusüß 91-25340 / Blome über 535965 / Kurz u.a. 91-21551

Der republikanische Club ruft zur Kundgebung der außerparlamentarischen Opposition gegen die Notstandsgesetze und ihre Befürworter innerhalb der Espede (2-3tausend, Busse aus Ffm u. München, Sonntag,17.3.,13.30 Uhr, ganz nah an der Meistersingerhalle. Das progresive Nürnberg will mit den Delegierten diskutieren. Join the Underground!