Die Anfänge der "neuen Frauenbewegung"

Vorbemerkung: Bezeichnenderweise erschien in der selben Ausgabe der RPK ein Interview mit Black Panther Frauen, das die im folgenden Artikel vertretenen Ansichten als quasi "konterrevolutionär" charakterisierte. 14 Tage später erschien in der RPK eine ähnliche Kritik der "anderen" Fraktion des Aktionsrates.

BEKANNTMACHUNG DES AKTIONSRATS ZUR BEFREIUNG DER FRAUEN

GRUPPE: GEGEN DAS ALTE UND FÜR DAS NEUE

Quelle: Rote Pressekorrespondenz Nr. 33 vom 3.10.1969

FRAUEN GEMEINSAM SIND STARK!

Wir haben gelernt, daß Frauen innerhalb des kapitalistischen Systems sieh nicht emanzipieren können. Wir haben gelernt, daß ein sozialistisches Wirtschaftssystem nicht automatisch die Bedingungen für eine Befreiung der Frauen schafft. In den sozia listischen Staaten hat die formale Gleichberechtigung mit dem Mann die Doppelrolle der Frauen erleichert, Gleichzeitig wird der eigentliche Widerspruch verschleiert.

Der Widerspruch besteht darin, daß die Institution Familie, die die erste Grundlage zur Kapitalbildung war, weiterhin die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens auch in den sozialistischen Ländern ist und dadurch weiterhin die Grundlage zur Unterdrückung der Frauen und Kinder bildet.

Von wem kann dieser Widerspruch heute aufgegriffen werden? Die Frauen linker Männer mit Kindern empfinden den Widerspruch zwischen dem politischen Anspruch und ihrer eigenen abhängigen Situation am schärfsten, sie fallen praktisch für die politische Arbeit, die sie als notwendig erkannt haben, aus, weil ihnen im wesentlichen die Sorge für die Kinder überlassen bleibt. Das ist auch der Grund dafür, daß Frauen linker Männer, obwohl sie die Familie als Instrument ihrer Unterdrückung erkannt ha ben, sich weiter daran klammern, da sie nur mit dem Erdulden dieser Unterdrückung ihre und ihrer Kinder Existenz sichern können. Von daher gesehen ist es ein Hohn, wenn die Genossen von Auflösung der repressiven Zweierbeziehungen und Aufhebung der Fixierung der Kinder an die Eltern reden, gleichzeitig aber die Verantwortung für die Kinder wieder ins Private abschieben und daraus keine politischen Konsequenzen ziehen.

Das Verdrängen des Problems der Kinder in der Theorie ist symtomatisch für eine entscheidende Lücke in der Zukunftsperspektive für eine sozialistische Gesellschaft. Solange Mütter und Kinder in der Dunkelkammer bleiben müssen, in die sie von der Gesellschaft gesteckt werden, bis sie in die Lage kommen, produktiv zu arbeiten, werden sie ein Klotz am Bein der Revolution bleiben.

Wir müssen für die Erauen mit Kindern, d. h. für uns, zunächst die BEDINGUNGEN SCHAFFEN, diesen Widerspruch aufzugreifen, da nur wir in der Lage sind, das Ausmaß dieses Widerspruchs auszuloten und dürfen es nicht zulassen, daß wieder stellvertretend von anderen für uns gesprochen wird, daß Bedingungen geschaffen, Lösungen angeboten werden, die unsere Situation weiter verschleiern.

Wir dürfen es auch nicht mehr zulassen, daß Genossinnen ohne Kinder, die für sich entschieden haben, keine haben zu wollen, Frauenagitation betreiben über die Köpfe und Argumente derjenigen hinweg, die an sich den Grundwiderspruch erfahren und keine Möglichkeit mehr haben, ihn zu verdrängen.

Wenn es so ist, daß wir den Kampf nur im Kampf lernen können und wenn es so ist, daß die Frauen linker Männer das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Veränderung haben, aber gleichzeitig keine Möglichkeit, aus diesem Bewußtsein Konsequenzen zu ziehen, müssen wir zunächst die Bedingungen für diese Frauen schaffen, die Arbeit, die sie als richtig erkannt haben, zu tun.

Wenn es so ist, daß wir in der Institution dec Familie die Grundlage für die weitere Unterdrückung auch im Sozialismus sehen, müssen wir Methoden entwickeln, die die Verdrängung des Jahrtausende bestehenden und schon in unsere psychische Struktur verlagerten Widerspruchs nicht mehr zulassen.

DA WIR DIE KINDER BEKOMMEN, MÜSSEN WIR ENTSCHEIDEN KÖNNEN, OB, WANN, VON WEM WIR DIE KINDER HABEN WOLLEN.

DAZU HABEN WIR DIE FAMILIE NICHT NÖTIG.

Da die Kinder ein Teil der Gesellschaft sind, wenn sie geboren werden und nicht erst, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben und produktiv arbeiten können, muß die Verantwortung für die Kinder, die ja für die ganze Gesellschaft wichtig sind, von allen getragen werden und die materielle Sicherung der Existenz der Kinder darf nicht länger etwas bleiben, was jede Familie nach ihren Möglichkeiten löst.

FAMILIE UND SOZIALISMUS SIND UNVEREINBAR, WENN DIE EMANZIPATION DER FRAUEN KEINE FARCE BLEIBEN SOLL!

Wir werden die Genossinnen und Genossen ohne Kinder zwingen, die allgemeine Verantwortlichkeit für die Kinder zu akzeptieren, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis.

Der Kampf um die Verantwortlichkeit aller für alle Kinder ist der erste Schritt zur Befreiung der Frauen.

WIR WERDEN ES NICHT MEHR ZULASSEN, daß die Misere der Genossinnen mit Kindern im linken Klatsch erledigt wird und undialektisch zu ihrer privaten Schuld deklariert wird.

WIR WERDEN ES NICHT MEHR ZULASSEN, daß Frauen es nötig haben, ihre Männer mit den Kindern zu erpressen, um sich durch die Anpassung an eine Rolle eine Identität zu schaffen.

WIR WERDEN ES NICHT MEHR ZULASSEN, daß Genossen mit Kindern, denen die Schwierigkeiten über den Kopf wachsen, andere Frauen dazu mißbrauchen, sich einmal auszuheulen, daß sie aber niemals wagen, mit anderen Männern über diese Probleme zu reden und daraus politische Konsequenzen zu ziehen.

WIR WERDEN ES NICHT MEHR ZULASSEN, daß das Frauenproblem und das Kinderproblem in den Kinderläden getrennt wird, so als könne man sozialistische Erziehungsmethoden entwickeln, solange die Frauen noch nicht in der Lage sind, eigene Vorstellungen über ihre Situation zu entwickeln, was zwangsläufig neue Erziehungskonzepte hervorbringen wird.

WIR WERDEN ES NICHT MEHR ZULASSEN, daß sogar linke Frauen es noch nötig haben, ihren Liebeswert dadurch zu sichern, daß sie sich unreflektiert dem Kleiderkonsum unterwerfen, bürgerliches Konkurrenzverhalten fortsetzen und damit die Solidarität mit den Genossinnen erschweren.

WIR WERDEN DAHER NICHT MEHR ZULASSEN, daß unsere Forderungen als Appell an linke Caritas verstanden werden, sondern wir werden nicht aufhören, durch Aktionen Grundwidersprüche sichtbar zu machen.

WIR WERDEN NICHT MEHR ZULASSEN, daß Grundwidersprüche weiter verdrängt werden; wir werden die Voraussetzungen schaffen, daß Männer und Frauen gemeinsam für den Sozialismus kämpfen.

Um die Arbeit zu beginnen fordern wir as ERSTES das Geld, das die Genossen mit ihrem Blut in das sozialistische Zentrum gesteckt haben und weiter stecken werden, um dafür die ersten Wohnungen für Frauen mit Kindern zu mieten, die solange auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen und dadurch arbeitsunfähig sind, solange ihre Situation nicht zu einem politischen Problem gemacht wird.

Als ZWElTES fordern wir Genossen mit Titeln und Einkommen auf, Wohnungsverträge für Frauen mit Kindern abzuschließen.

Als DRITTES fordern wir alle Genossinnen und Genossen auf, sich zu überlegen, wie die ungleiche Finanzsittuation innerhalb der Linken aufgehoben werden kann.

Wir fordern nicht nur auf, wir werden unsere Foderungen durchsetzen. Sie sind die ersten und notwendigen Voraussetzungen zu unserer Befreiung,

Wir müssen uns entscheiden: für den Sozialismus oder dagegen.

JEDER GEBE NACH SEINEN FÄHIGKEITEN, JEDER BEKOMME NACH SEINEN BEDÜRFNISSEN.