Aus: Frankfurter Rundschau vom 12.12.1966

Polizei verprügelt Demonstranten in West-Berlin

Am "Tag der Menschenrechte" Proteste gegen den Vietnam-Krieg in mehreren Städten Europas

BERLIN, 11. Dezember. Zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten kam es am Wochenende bei einer Demonstration von 2000 Studenten und Jugendlichen gegen den Vietnam-Krieg in West-Berlin. Als die Demonstranten von dem ihnen vorgeschriebenen Marschweg abwichen, schlugen Polizisten wahllos mit Gummiknüppeln auf sie ein, beschlagnahmten Plakate und zerrissen einige an Ort und Stelle. 74 Studenten und Jugendliche wurden von der Polizei festgenommen und 55 Plakate beschlagnahmt.

Zu der Demonstration hatte die "Kampagne für Abrüstung" zusammen mit der "Ostermarschbewegung" und einige Studentenverbände aufgerufen, die unter anderem Plakate mit sich führten, die die Aufschrift trugen: "Weihnachtswünsche werden wahr -- Bomben made in USA" und "Keinen Groschen, keinen Mann für den Krieg in Vietnam". Als die Polizei eingriff, wurden empörte Sprechchöre laut: "Amis raus aus Vietnam" und "Johnson - Mörder."

Auf der anschließenden Kundgebung auf dem Wittenbergplatz forderte der Vorsitzende der Internationale der Kriegsdienstgegner, Vogel, daß die neue Bundesregierung den amerikanischen Krieg in Vietnam nicht weiter unterstützen solle. "Seit über 20 Jahren werden in Vietnam die Menschenrechte mit getreten," Das SDS-Mitglied Dutschhe protestierte scharf gegen die "Polizeiwillkür" und erklärte, die Zeit sei reif für neue Organisationsformen der Opposition.

Nach der Kundgebung zogen einige Hundert Demonstranten zum Kurfürstendamm, wo sie einen Weihnachtsbaum aufpflanzten, der mit dem Transparent "Spießer aller Länder, vereinigt euch" und der amerikanischen Flagge geschmückt war. Zum Gesang von Weihnachtsliedern wurde ein Pappkopf Johnsons angezündet.

Ein Senatssprecher erklärte zu den Vorfällen, Berlin verurteile "das Treiben der politischen Rowdies, die sich Studenten nennen". Beruhigend meinte der Senatssprecher, es handele sich nur um eine "verschwindende Minderheit".

Aus Anlaß des "Tages der Menschenrechte" kam es gleichzeitig auch in anderers Städten Europas zu Demonstrationen gegen die Vietrnam-Politik der USA. Wie UPI meldet, ging in Paris die Polizei gegen etwa 3500 Demonstranten auf der Place de la Bastille vor, als diese sich zu einem Protestmarsch durch die Straßen der Stadt in Bewegung setzen wollten. Die gegen die USA gerichtete Parolen rufenden Demonstranten wurden von den Polizeibeamten in Seitenstraßen abgedrängt. In London versammelten sich 200 Demonstranten am Trafalgar Square. Auf den Stufen der nahegelegenen St.-Martin-in-the-Field-Kirche nahmen sie an einem Bittgottestdienst teil.

In Oslo zogen über 3000 Demonstranten mit Fackeln vor die amerikanische Botschaft, um ebenfalls gegen den Vietnam-Krieg zu protestieren. Die norwegische Polizei hatte vorsorglich die ßotschaft durch starke Kräfte abschirmen lassen. Zu einer Demonstration kam es auch in Stockholm. Eine größere Zahl von Demonstranten zog mit Fackeln durch die Innenstadt. Auf einer anschließenden Versammlung sprach der Vertreter des Vietcong in Moskau, Nguyen van Dong. Dong griff die Vereinigten Staaten scharf an und warf ihnen vor, duch ihre "Aggression in Vietnam die Menschenrechte zu unterdrücken".