Allgemeiner Studentenausschuß der Freien Universität Berlin
Ein Letztes zur Kommune

in: Studenten über ihre Probleme  "Studentenrubrik" im Tagesspiegel vom 15.8.1967

Jedesmal, wenn die Studentengruppe, die sich Kommune nennt, wieder eine spektakuläre Aktion oder Demonstration unternommen hat, ergeht an die Studentenvertretung der FU der Ruf, sie solle sich von diesen Leuten distanzieren. Wir haben jetzt, nach der Kommune-Aktion anläßlich der Trauerfeier für Paul Lobe, in einer Stellungnahme gesagt, daß wir uns in Zukunft zu den Aktionen dieser Gruppe nicht mehr äußern werden. Warum?

Die Kommune ist eine Gruppe von engagierten Studenten, die den Boden politischer Aktion verlassen hat, da ihnen die politische Auseinandersetzung mit Argumenten nicht aussichtsreich erscheint. Ihre Aktionen erschöpfen sich jetzt in Happenings, die es vor allem darauf abgesehen haben, bürgerliche Ordnungsvorstellungen zu provozieren und durch absurde oder besonders ausgefallene Dempnstrationen Aufmerksamkeit zu erregen.

In der Öffentlichkeit besteht das Bild einer gewalttätigen Terroristengruppe, obwohl die KommuneAktionen sich bisher streng an das Gebot der Gewaltlosigkeit hielten. Gerade dieses Mißverständnis macht das besondere Ärgernis dieser Gruppe aus: Sie halten sich an keinerlei konventionelle Geschmacks oder Anstandsregeln, rufen große Entrüstung hervor und entlarven gerade dadurch eine moralische Doppelbödigkeit. Sie wollen die Schizophrenie einer politischen Moral demonstrieren, die sich über Geschmacksfragen empören kann, angesichts des sinnlosen Mordens der USRegierung in Vietnam aber gleichgültig bleibt. Diese Demonstration ist der Kommune des öfteren gelungen.

Die KommuneAktionen haben außerdem eine bestürzende Intoleranz der Berliner Öffentlichkeit offenbart, wenn auf ihre absurden Aktionen so laut nach staatlicher Gewalt gerufen wurde. Sie haben das Berliner Abgeordnetenhaus und die Berliner Justiz beschäftigt, die dabei gewiß nicht die beste Figur machten. Nehmen wir die Haft Fritz Teufels als einen exemplarischen Fall. Nach 70 Tagen ist die Untersuchungshaft für Fritz Teufel nun endlich von der 5. Ferienstrafkammer beim Landgericht Berlin aufgehoben worden, Die Kommune feiert ihre Freudenfeste. Der Justizapparal aber sucht nach Auswegen aus seiner eigenen Eskalation der politischen Anklage. Flüchtverdacht war die offizielle Begründung der Haft, eine Verdächtigung, die jedem politisch denkenden Menschen absurd erscheinen mußte, weil er weiß, daß Fritz Teufel nicht als Krimineller, sondern als besonders engagierter Student gegen den Schah demonstrierte. Flucht hätte seine Ziele diskriminiert:

AStA und Konvent hatten deshalb schon im Sommersemester eine Kaution in Höhe von 10 000 DM für die Freilassung geboten. Die Staatsanwaltschaft lehnte dies jedoch ab. über die Weigerung der Staatsanwaltschaft, die über 20 Entlastungszeugen, die vom studentischen Verteidiger angeboten
wurden, zu vernehmen, ist bereits geschrieben worden. Jetzt kann die Anklage in der bisherigen Form offenbar nicht mehr aufrechterhalten werden. Fluchtverdacht, so lautet der Beschluß des Gerichtes, bestehe noch immer. Gegen die Auflage, sich zweimal wöchentlich bei der Polizei zu melden, ist zu Recht Beschwerde eingelegt worden. Der Hauptverhandlung, für die noch immer kein Termin genannt wird, kann die Kommune ruhig entgegensehen; ob der verantwortliche Justizsenator dies auch kann, erscheint zweifelhaft.

Die Kommune hat mit ihren Aktionen einen riesigen Apparat staatlicher Bürokratie und
öffentlicher Meinungsbildung so gereizt, daß er anfing, sich zu bewegen und schließlich doch ins Leere schlug. Denn was man da bekämpfen will, ist nichts Gefährliches. Es ist allenfalls ärgerliche, oft amüsante Dekoration. Was jedoch erschreckend deutlich gewoiden ist: Wie wird dieser Apparat erst losschlagen, wenn er einen ernstzunehmenden politischen Gegner hat, wenn eine politische Kraft sich zeigt, die dem politischen Establishment tatsächlich gefährlich werden kann? Wenn das, was am 2. Juni und danach schon Realität war, politischer Alltag würde? Erst dann wahrscheinlich würden viele, die jetzt nach Gewalt gegen jene illustre Gruppe rufen, merken, was sie sich selbst damit angetan haben: Ausbreitung staatlicher Gewalt bis in Bereiche, die gar nicht durch Vorschriften definiert werden können, das heißt, die Erhebung allgemeinen Empfindens zum Gesetz.

Bürger dieser Stadt müssen sich an Gesetze halten und sie werden durch Gesetze geschützt. Öffentliche Aktionen müssen sich an diese Gesetze halten oder entsprechende Sanktionen in Kauf nehmen. Bereiche wie „guter Geschmack" oder „Moral" sind dabei so wenig wie möglich zu erfassen, da es sich hierbei um relative, historisch bedingte und jederzeit veränderbare Konventionen handelt. Wer bei Verstößen gegen solche Regeln nach staatlicher Gewalt ruft, möchte seine eigenen privaten Maximen zum Gesetz über andere machen, ein typischer Ausdruck von Intoleranz mit der Tendenz zum autoritären „Ordnungsstaat".
Wer Aktionen der Kommune der gesamten Studentenschalt und der Studentenvertretung anrechnet, tut dies mit Absicht:

Denn für den vorurteilsfreien Beobachter ist es längst klar, daß die Methoden der Kommune nicht die der offiziellen Studentenvertretung sind. Distanzierungen — in ihrer ganzen Sinnlosigkeit — sind deshalb unnötig. Wir werden uns in Zukunft auch nicht mehr dazu äußern, wenn sich die Kommune wieder eine neue Provokation ausgedacht haben sollte. Die Aktionen der Kommune sind nicht das Hauptproblem der studentischen Opposition, obwohl es in der Öffentlichkeit oft so dargestellt wird. Es hat den Anschein, als ob mit der Verurteilung der Kommune die Sorgen über eine unruhige Studentenschaft kompensiert werden sollten.