In der
TREND-Ausgabe 3/2011 wurde der Aufruf der „Sozialistischen
Initiative Berlin-Schöneberg
(SIB)“ mit dem
Titel „Neue Antikapitalistische Organisation? Na endlich!“
veröffentlicht, worin für die Gründung einer gleichnamigen
Organisation geworben wurde. Das „Na-Endlich-Papier“ erregte im AKKA auf unterschiedliche
Weise ein Interesse, gleichzeitig aber auch Zweifel an dessen
Seriosität. Dies lag vor allem am Charakter des SIB-Papiers als
einer sprachlich mehr oder minder gelungenen Aphorismensammlung
über linke Politik. Mit diesem Stilmittel beschrieben die
Verfasser:innen selbstkritisch ihre aus der politischen Praxis
als Trotzkist:innen gewonnenen Ansichten über die politische
Linke und das autonome Spektrum, um in beiden Spektren für die
Bildung einer gemeinsamen neuen antikapitalistischen
Organisation zu werben. In dem Versuch, einen
strömungsübergreifenden Parteibildungsprozess in Gang zu setzen,
hieß es aber auch:
„ArbeiterInnen
sind nicht besser, schöner oder klüger als Feministinnen oder
Anti-Atom-Aktivisten, aber als Mehrwertproduzenten sind sie die
einzigen, die die Herrschaft des Kapitals unmittelbar und direkt
in Frage stellen (können).…“ (Na-endlich-Papier 2011)
(1)
Indem der SIB-Vorschlag auf das Proletariat ausgerichtet war,
ergaben sich daraus für TREND Schnittstellen, sich mit
klassenbezogenen Inhalten in dieses Vorhaben einzubringen. Mit
einer zugespitzten Polemik „Alter Wein in neuen Schläuchen“(2)
kommentierte die TREND-Redaktion im April 2011 das SIB-Papier.
Diese Provokation führte dazu, dass zwischen SIB und TREND nach
einigen Vorgesprächen schließlich doch ein gemeinsames
Streitgespräch für den 22. Juni 2011 in der „Mediengalerie“ im
ehemaligen Berliner DruPa-Gewerkschaftshaus angekündigt werden
konnte.
In der Vorbereitung der gemeinsamen Veranstaltung wurde
vereinbart, dass Michael Klockmann von der „Berliner Initiative
Grundeinkommen“ den Abend moderiert, welcher durch Inputreferate
mit den widerstreitenden Meinungen von Michael Schilwa (SIB) und
Karl-Heinz Schubert (TREND) begonnen werden sollte.(3). Dies
wiederum veranlasste Schubert, seine Thesen für das
„Streitgespräch“ zu verschriftlichen und noch vor der
Veranstaltung in der TREND-Juniausgabe unter dem Titel „Der
sofortige Aufbau einer revolutionär-proletarischen Partei steht
nicht auf der Tagesordnung“
zu
veröffentlichen. Darin kritisierte er mit Bezugnahme auf die
Geschichte der internationalen Arbeiter:innenbewegung
den geringen Nutzen des Papiers für den Aufbau einer
zeitgenössischen neuen antikapitalistischen Organisation:
„Fasst
man das Gemeinsame dieser heterogenen „Parteivorgeschichten“
unter dem Blickwinkel der russischen Parteigeschichte zusammen,
dann bedeutet Parteibildung ganz allgemein: Parteinahme im Sinne
des wissenschaftlichen Sozialismus für die (eigene)
proletarische Klasse. Das zeigt sich auf dem Feld der Ökonomie,
indem Verteilungskämpfe in Stadtteil, Betrieb, Schule,
Hochschule und auf dem Land, sowie ökologische Kämpfe so geführt
werden, dass durch sie die kapitalistische Verwertungslogik
angegriffen wird. Politisch führt dies dazu, in diesen
Teilkämpfen mit einer eigenständigen proletarischen Programmatik
aufzutreten. Dabei beginnt schließlich ideologisch die Loslösung
von den Konzepten, Lebensweisen, Entwürfen und Wertvorstellungen
der herrschenden Klasse.“(4)
Laut dem Veranstaltungsbericht der „Jungen Welt“ entwickelte
sich, nachdem SIB und TREND ihre Standpunkte vorgetragen hatten,
„eine kontroverse, aber erfrischend sachliche Diskussion“. Und
als Fazit wurde festgehalten: „Der Stein ist jedenfalls ins
Rollen gekommen, die Debatte wird weitergehen.“(5)
Der mit der Veröffentlichung des SIB-Papiers in Gang gesetzte
Prozess, eine „Neue antikapitalistische Organisation (NaO)“
aufzubauen, erwies sich jedoch - vom Ende her betrachtet - als
ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben. Dies war für die
beteiligten Akteur:innen zunächst - also auch für TREND und den
AKKA - nicht unbedingt erkennbar. Bis zu seinem Ausscheiden im
Spätsommer 2012 war der AKKA dort die einzige Gruppe, die im
Hinblick auf die geplante NaO an den wichtigen Essentials des
wissenschaftlichen Sozialismus festhielt
(MEW 19 : 227f). und seine klassenpolitischen Position sollten
über viele Monate auf dem diskursiven Prüfstand der
marxistischen, linkskommunistischen und trotzkistischer Kräfte
stehen. In dieser Zeit war TREND eine wichtige
Veröffentlichungsplattform für den ideologisch mäandernden
Versuches mit Milieu- und Bewegungslinken eine
sozialemanzipatorische antikapitalistische Organisation in der
BRD aufzubauen. Miteinander kontrovers diskutierten dort z.B.
Robert Schlosser, Detlef Georgia Schulz, Meinhard Creydt,und
Karl-Heinz Schubert über Klassenkampf, den es auf der Basis der
Marxschen Kritik der politischen Ökonomie zu untersuchen und in
den es zu intervenieren galt - nicht strukturalistisch verkürzt,
sondern auf der Grundlage einer klassenanalytischen Methode
verbunden mit dem ideologischen Kampf für eine gesellschaftliche
Hegemonie des Proletariats. Dazu wurden zwischen November 2011
und Juni 2012 sogenannte „TREND-Gespräche in Berlin organisiert,
die die Diskussion in der NaO inhaltlich begleiteten. Das erste
„Gespräch“ befasste sich mit dem Thema
„Organisation & Programm - Wo geht es hier lang zur Einheit?“
(6).
An diesem Gesprächskreis nahmen Milieu- und Klassenlinke aus
verschiedenen politischen Spektren teil. In der mehr als
dreistündigen Diskussion herrschte eine entspannte, solidarische
und dennoch nicht widerspruchsarme Atmosphäre – besonders in der
Frage des Verhältnisses von Klassenanalyse und Partei. Hierzu
hob Schubert besonders für den Gründungsprozess einer
antikapitalistischen Organisation hervor:
„Vor
diesem Hintergrund sollte jeder Zirkel, jede Gruppe, jede
Einzelperson die an dem Diskurs über die Vereinheitlichung der
Klassenlinken und Gründung einer revolutionären Organisation
teilnehmen will, Auskunft darüber geben, ob es darum gehen soll
zunächst die Kräfte zu sammeln, die in den spontanen Bewegungen
der Klasse aktiv sind oder ob es sich um einen Sammlungsprozess
innerhalb der Klassenlinken handeln soll. Oder um beides –
jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung. Die Antwort resultiert
nicht aus dem Willen, sondern leitet sich aus der Analyse der
Klassenauseinandersetzungen und den darin gesammelten
Erfahrungen ab, wobei zu beachten ist, dass Klassenkämpfe
generell an drei „Fronten“ (ökonomisch, politisch, ideologisch)
ausgetragen werden.“
(7)
Doch in dieser Grundfrage kam es zwischen dem AKKA und der SIB
auch an diesem Abend zu keiner Annäherung. Daher sah sich die
TREND-Redaktion veranlasst, dieses unbefriedigende Ergebnis mit
den prägnanten Worten J.P. Sartres aus seinem Dialog mit der
„Il-Manifesto“-Gruppe folgendermaßen zu kommentieren:
"Wenn man also Forschung will, dann muss immer eine Struktur
etabliert werden, die die Diskussion garantiert: ohne diese
würde selbst das theoretische Modell, das die politische
Organisation der Klasse als Experiment für die Wirklichkeit
vorschlagen würde, inoperant bleiben. Hier liegt ein
permanenter Widerspruch der Partei, eine Schranke für alle
kommunistischen Parteien.“(8)
Durch
diese Veranstaltung sah sich der AKKA in dem Eindruck bestärkt,
dass im „Na-Endlich-Papier“
historische Erfahrungen der revolutionären
Arbeiter:innenbewegung absichtlich wie durch ein Kaleidoskop
gespiegelt aufgezählt worden waren, um einen
strömungsübergreifenden Beifall für das NaO-Projekt zu erzeugen.
Um diesem politischen Sujektivismus entgegentreten zu können,
entschied der AKKA, sich zukünftig stärker mit der Geschichte
der Arbeiter:innenbewegung zu beschäftigen und in die Debatte
einzubringen. In diesem Sinne organisierte der Arbeitskreis im
Dezember 2011ein weiteres „TREND Gespräch“,über Kunst, Musik und
Klassenkampf“
mit Bernd Langer und Detlev Kretschmann. Dort berichteten beide
von ihren künstlerischen und musikalischen Produktionen, um
anhand dessen Grundfragen der Verbindung von Kunst, Musik und
Klassenkampf sowohl programmatisch als auch praktisch in
Verbindung mit der Geschichte der sozialen Kämpfe zu diskutieren
(9).
Diese
Erweiterung des publizistischen Fokus von TREND war auch
deswegen angesagt, weil im September 2011 eine Arbeitsgruppe aus
dem „Marxforum“, das sogenannte „Bochumer Programm“
veröffentlicht hatte, das von ihnen als ein „Revolutionäres
Minimalprogramm“ verstanden wurde.
(10)(11).
|