Auf Einladung der Redaktion fand ein Folgetreffen des Beirats
statt, um die Erfahrungen mit
„TREND-Print 1/2005“ auszuwerten. Darauf aufsetzend
sollten die praktischen und inhaltlichen Bedingungen einer
weiteren Printausgabe für den Herbst 2005 mit dem Titel
„Sozialemanzipatorische Bewegungen in anderen Teilen der Welt“
festgelegt werden. Die Entscheidung sollte im September fallen.
Desweiteren beschäftigte sich das Treffen mit ersten
Überlegungen zur Gestaltung des zehnjährigen Jubiläums von TREND
im Januar 2006. Die Redaktion schlug vor, dieses Ereignis als
eine Art Kongress zur organisieren. Dort könnte der Begriff des
Kommunismus mit den historischen Erfahrungen des Kampfes um die
soziale Emanzipation anhand von drei Themenkreisen diskursiv
reflektiert werden: „Soziale Emanzipation weltweit, die Zukunft
der Metropolen, Klasse und revolutionäre Organisation.“ Zur
Begründung führte sie an:
„Wenn
wir - d.h. die TREND-Redaktion - fragen: "Kommunismus - was
sonst?", dann transportiert dies schließlich auch eine klare
Absage an jene narrative Methoden, womit die - ansonsten nicht
unsympathische undogmatische - Linke sich wie eine riesige
Selbsterfahrungsgruppe inszeniert und somit in ihrer
selbstverschuldeten Bedeutungslosigkeit gut aufgehoben bleibt.
Wir als TREND-Redaktion wollen mit diesem Kongress statt dessen
dazu beitragen, Politik auf wissenschaftliche Grundlagen zu
stellen. D. h. auf solche, worin die individuelle Emanzipation
als integraler Bestandteil der sozialen Emanzipation enthalten
ist und wodurch wissenschaftlicher Kommunismus und
emanzipatorische Praxis kohärent zusammenkommen. Dies ist bitter
nötig, ist es doch spätestens seit 1989 en vogue Kommunismus
gleich Stalinismus zu setzen. Hierauf hat die Linke bisher nur
defensiv oder autistisch reagiert und damit ihren Beitrag zur
bürgerlichen Geschichtsentsorgung und -klitterung geleistet.
Genau an dieser Stelle verknüpften sich zunehmend theoretische
Regression mit linkem Nischendasein.“(12)
Nachdem verschiedene Programmvorschläge via Mailingliste
vorgelegt worden waren, trafen sich Ende September Redaktion und
Beirat (13), um das Programm für das 10-jährige Bestehen der
TREND Onlinezeitung im Januar 2006 zu diskutieren und zu
beschließen. Einmütig wurde festgelegt, den Kongress am
Wochenende 20. und 21. Januar 2006 unter der Losung
"Kommunismus - was sonst!" stattfinden zu lassen. Losgehen
sollte es am Freitagabend mit einer "Roten Revue". Am Sonnabend
waren für nachmittags kleinere Gesprächskreise mit ausgewählten
ReferentInnen geplant. Den Kongress abschließen sollte am
Sonnabend eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Kommunismus -
was sonst! "Die Linke" rechts liegen lassen?"
Als bekannt
wurde, dass vom 11.-13. November 2005 in Berlin ein von der
trotzkistischen Organisation „Linksruck“ organisierter Kongress
mit dem Titel "Kapitalismus Reloaded" stattfinden sollte,
kritisierte Peter Nowak in der TREND Novemberausgabe dieses
Veranstaltungsprojekt auf prinzipielle Weise und warf die Frage
auf: „Soll die
akademische Mittelschicht mal wieder über die angesagten linken
Diskurse debattieren oder gehen wir endlich an die Suche nach
dem Kommunismus des 21. Jahrhunderts?“ (14). Die Redaktion nahm
das
„Linksruck-Meeting“ zum
Anlass eine zweite TREND-Druckausgabe (15) herauszugeben und in
der Stadt zu verbreiten, die unter dem Titel „Klassenkämpfe im
Neo-Kapitalismus“ getitelt erschien und nutzte diese auch zu
einer ersten Werbung für das Veranstaltungswochende im Januar
2006.
In TREND
12/2005 wurde das endgültige Programm des Kongress „10
Jahre TREND Onlinezeitung – Kommunismus. Was sonst.“
im Berliner Mehringhof für den 20./21.Januar 2006 angekündigt
(16). Außerdem wurde das Programmheft (17) gedruckt und in
linken Zusammenhängen verbreitet. Kurz vor dem Termin waren über
1.500 Veranstaltungshefte online heruntergeladen worden. An
diesem Wochenende
sollten
nicht nur die philosophischen und
weltanschaulichen Ansprüche
der Onlinezeitung
auf dem diskursiven
Prüfstand stehen.Es
sollte
auch dafür geworben werden, dass die nicht
parteigebundene klassenorientierte Linke sich nach dem Scheitern
der kommunistischen Projekte der 1970/80er Jahre und der noch
immer aktuellen ideologischen Dominanz der „Politik der ersten
Person“ wieder
der
politischen Ökonomie
zuwendet
und
ebenfalls eine kritische Rückbesinnung
auf
die historischen Erfahrungen der internationalen
Arbeiter*innenbewegung
unternimmt. Als Redaktion hatten wir daher
in Absprache mit den Referent*innen für das Wochenende folgende
Thesen zur Diskussion vorgeschlagen:
„Dass
das Einreißen der kapitalistischen Verwertungsschranke mit Blut,
sozialer Not, Hunger und Armut der Werktätigen im
internationalen Maßstab sowie mit der Zerstörung der Natur
bezahlt wird, wird zumindest in den Metropolen immer noch als
notwendiges Übel akzeptiert, während die kommunistische
Alternative von der Mehrheit abgelehnt wird. Unter solchen
Bedingungen müssen KommunistInnen und andere Revolutionäre als
Erstes ihre sachliche Autorität in allen Fragen, die das
menschliche Zusammenleben strukturieren, zurückerlangen. Diese
Autorität werden sie keineswegs zurückgewinnen, wenn sie
Illusionen verbreiten, die den gesellschaftlichen Realitäten
nicht entsprechen. Ferner müssen revolutionäre Kräfte endlich
einsehen, dass die ArbeiterInnenklasse sehr wohl selber in der
Lage ist, den normalen kapitalistischen Geschäftsgang zu
begreifen und auf dieser Grundlage ihre Interessen zu
formulieren, d.h. eine revolutionäre Propaganda, die keine
darüber hinaus gehenden Einsichten vermittelt, ist tatsächlich
überflüssig. Sachliche Autorität wird allerdings auch dann nur
zurückerlangt werden können, wenn die neuen kapitalistischen
Verhältnisse und Strukturen sowie alte, bisher unberücksichtigte
einer wissenschaftlichen Analyse unterworfen werden. Dazu gehört
vor allem auch eine Neueinordnung der praktischen und
theoretischen Erfahrungen der internationalen
ArbeiterInnen-bewegung einschließlich der daraus abgeleiteten
Revolutions- und Organisationskonzepte.“ (ebd.)
Damit
unterstrichen Beirat und Redaktion, dass das Wochenende quasi
als Theoriewerkstatt konzipiert war, um die aktuellen
gesellschaftlichen Veränderungen mit ihren Krisenerscheinungen
in Beziehung auf ihren inneren Zusammenhang – die
kapitalistischen Produktionsweise – zurückzuführen und sie als
Erscheinung einer historischen Formation darzustellen, die den
Grund ihrer Aufhebung in sich trägt.
Mehrere
Pressemeldungen wiesen auf die zweitägige
TREND-Jubiläumsveranstaltung hin. Mehr als 300 Teilnehmer:innen
besuchten die Veranstaltungen. Mit viel Beifall wurde die
Eröffnungsveranstaltung mit Helmut Höge (TAZ) und Detlev
Kretschmannn (TREND-Beirat) begleitet. Durch ihre künstlerischen
Darbietungen zeigte sich erneut, dass Linkssein sich nicht
allein durch Theoriearbeit vermittelt, sondern gerade auch durch
das Ansprechen von Gefühlen und Stimmungslagen. Außergewöhnlich
war für dieses Wochenende auch, dass an Stelle der sonst
üblichen sektiererischen Abgrenzungen in allen Diskussionen ein
solidarisches Klima herrschte. Ganz gleich, ob jemand
anarchosyndikalistische oder rätekommunistische Positionen
vertrat und dabei auf eine Person stieß, die im ML-Spektrum oder
bei der Linkspartei zu verorten war, es wurde zugehört und
argumentativ aufeinander eingegangen. Eine der Zuschriften, die
die Redaktion nach dem Veranstaltungswochenende erhielt, fasst
dies trefflich zusammen:
"Die Arbeitsgruppen und Workshops an denen ich aktiv oder als
Zuhörer teilnahm, fand ich alle gelungen. Die
TeilnehmerInnenzahl war gut und es gab überall eine rege
Diskussion, so dass die Zeit manchmal vergessen wurde. Es war
nirgends so, dass niemand was sagen wollte und die Zeit
rumgebracht werden musste. Besonders positiv machte sich in den
unterschiedlichen Debatten die Teilnahme von ehemaligen oder
aktuellen AktivistInnen aus den Betrieben bemerkbar. Die Debatte
blieb daher nicht im Abstrakten hängen, sondern hatte eine
Erdung im politischen Alltag. Ich denke, hier liegt auch die
große Stärke von TREND, dass die Zeitung aus linken
Gewerkschaftszusammenhängen kommt und weiterhin den Kontakt
dahin nicht verloren hat. Wenn mensch manche Debatten im linken Wolkenkuckucksheim verfolgt,
kann mensch erst ermessen, wie wichtig diese Anbindung an
Debatten in den Betrieben etc. ist. Ich finde darauf sollte bei
den nächsten Veranstaltungen aufgebaut werden." (18)
Sollte der Kongress keine Ein-Punkt-Aktion gewesen sein, so
stand die TREND-Redaktion nun vor der Aufgabe, Themen und
Fragestellungen von diesem Wochenende wieder in den virtuellen
Raum zurückzutragen, durch Beiträge zu vertiefen, um sie
jenseits des Netzes erneut einem Diskurs zuzuführen. Durch den
Kongress wurden die Inhalte der „Kommunismus-Debatte“ zu einem
ständigen, politisch-theoretischen Aufgabenfeld der Redaktion.
Schließlich hatten die Referent:innen mit ihren Beiträgen in
unterschiedlicher Weise Fragestellungen aufgeworfen, die auch in
postautonomen Zusammenhängen hätten an Bedeutung gewinnen
können.. Allerdings war dem nicht so. Ein Jahr später
postulierte
eine ihrer ideologischen Repräsentant:innen , die
„interventionalistische Linke (iL):
„Eine
radikale Politik kann ihre Erfahrungen nur ausschöpfen, wenn sie
die Einforderungen von Alternativen in Kampagnen, Bündnissen und
Bewegungen mit ihrer praktischen Vorwegnahme und Erprobung im
eigenen Alltag verbindet.“(19)
Hier zeigte sich ein Politikverständnis, in dem theoretische
Bemühungen für eine Praxis zur Aufhebung des Kapitalismus einen
überflüssigen Ballast darstellen. Die „Suche nach dem
Kommunismus des 21.Jahrhunderts“(Nowak) als theoretische
Aufgabenstellung stand für Milieulinke nicht auf der
Tagesordnung. Von daher deutete sich an, dass der
„TREND-Kongress“ mit den Inhalten seiner „Kommunismus-Debatte“
auch längerfristig bei Milieulinken nur bedingt anschlussfähig
zwar. Von daher war es gerade wichtig,
dass
Robert Schlosser auf
dem Kongress die Forderung erhoben hatte, sich auf die Marxsche
Kritik der politischen Ökonomie zurück zu besinnen (20), wozu
seiner Meinung nach auch gehörte, einer fehlerhaften oder
bewusst verfälschenden Marx-Rezeption entgegenzutreten(21).
Anknüpfend daran fand
Ende
Februar 2006 fand eine Auswertungsrunde des „10 Jahre Trend
Wochenendes“ im Beirat statt. Dabei gelangten Redaktion und
Beirat gemeinsam zu der Auffassung, dass die Vermittlung
zwischen Diskursen im Netz und den jenseits davon in der
„wirklichen Welt“ in der Form von Veranstaltungen weiterhin
Aufgabe der publizistischen Praxis sein sollte. In diesem Sinne
wurde beschlossen, die „TREND-Nachtgespräche“, wie sie 2001/02
im Partisan.net stattgefunden hatten, wieder aufleben zulassen.
Im März
reichte Andreas K. sein Referat zur Veröffentlichung nach, das
er auf dem TREND-Kongress gehalten hatte. Darin ging es um die
Mitarbeit von Kommunist:innen in der Bewegung der Sozialforen,
die seit 2002 weltweit erfolgreich als offenes Treffen von
Globalisierungkritiker:innen entstanden war. In seinem Resümee
stellte er klar:
„Die
Aufgabe, eine revolutionäre Linke in Weiterentwicklung des
Marxismus wieder herzustellen, ist jedoch außerhalb dieses
Raumes zu lösen“(22)
Damit
waren sozusagen die Leitplanken für eine „Kommunismus-Debatte“
bei TREND abgesteckt: Rückbesinnung auf die Marxsche
Kapitalkritik als eigenständige theoretische Aufgabe neben der
Unmittelbarkeit politischer Handlungszwänge. Andererseits war im
Hinblick auf eine politische Praxis die ideologische Seite nicht
zu vernachlässigen. Zur Marxschen Kapitalkritik gehörte explizit
die Analyse der historischen Entwicklung des
Kapitalverhältnisses, das im Grundwiderspruch zwischen Kapital
und Lohnarbeit gründet, woraus sich die Erkenntnis ableiten
ließe, das Proletariat als historisches Subjekt zu definieren,
dem die Aufgabe zufällt, die kapitalistischen Verhältnisse
aufzuheben.
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