Vom Scheitern einer
basisdemokratischen Internetpräsenz

 

Der Weg der Selbstorganisierung, den das PARTISAN-Projekt beschreiten wollte, sollte sich schwieriger erweisen als vermutet. Mit der Entwicklung von funktionstüchtigen und auch rechtlich tragfähigen Strukturen begann nun ein Ringen um inhaltliche Bündnisse zwischen den Beteiligten, das schlussendlich in Formalien sein Ende fand.

Für die von der IT-Firma Comdesign gehostete PARTISAN-Domain wurden Bettina Schöttler als „Registrant“ und Karl-Heinz Schubert als „Administrative Contact“ eingetragen. Die Beiden wollten zusammen mit zwei weiteren „Partisan:innen“ eine GBR bilden, um damit das Partisan.net zu verwalten und die Geschäftsführung an einen Verein als zukünftigen Entscheidungsträger zu binden. Als Schöttler und Schubert den Vorschlag der beiden anderen, GBR und den Verein in eine Genossenschaft zu transformieren, ablehnten, führte dies Ende 1998 zum deren Ausscheiden aus dem Projekt. Die in der GBR verbliebenen Schöttler und Schubert konzentrierten nun ihre Aktivitäten auf die Vereinsgründung, wozu mehrere „Partisan-Plena“ stattfanden, auf denen meist Berliner „Partisan:innen“ vertreten waren. Am 15. Dezember 1998 wurde beschlossen, einen PARTISAN-Verein in Gründung zu bilden, zu dessen Gründungsvorsitzenden Erhard Kleps von der TREND-Redaktion gewählt wurde. Ab 1999 zog die TREND-Kontaktadresse zum Buchladen „Schwarze Risse“ in den Kreuzberger „Mehringhof“ um, wo in dessen Räumen nun der „Partisan:innen Jourfix“ und das „Partisan.net-Webmaster-Treffen“ stattfanden.

Seit Anfang 1999 gab es als Neuerung im Partisan.net die virtuelle Wandzeitung (7). Sie sollte ein relevanter Beitrag zur Schaffung von Gegenöffentlichkeit im Internet sein. Denn Leute, die sich politisch aktiv einbringen, sollten das Erstellen von Informationen über ihre Praxis nicht einfach der bürgerlichen Presse überlassen, sondern diese Nachrichten selber erstellen. Dieses Konzept erscheint im Rückblick wie ein Vorbote zu der im November 1999 ins Leben gerufenen Veröffentlichungsplattform „Indymedia“, deren deutscher Ableger erst Anfang 2001 an den Start ging.

Im März 1999 kam auf die Redaktion eine große journalistischen Herausforderung zu. Am 24. März 1999 um 19:57 Uhr schlugen die ersten Cruise Missiles in Belgrad und Pristina ein. Im Einsatz waren deutsche Tornados, amerikanische F16-Kampfjets und B2 Tarnkappenbomber. Dieser Krieg sollte angeblich einen Völkermord verhindern. Pseudolegitimiert wurde dieser von der NATO geführte Militäreinsatz ohne UN-Mandat durch das so genannte Massaker von Račak am 15. Januar 1999 mit über 40 Toten, das nicht restlos aufgeklärt werden konnte(8). Für die deutsche Kriegsbeteiligung zeichnete die rot-grüne Bundesregierung verantwortlich. Am 20. Juni 1999 unterwarf sich Serbien dem NATO-Diktat und zog seine Truppen aus dem Kosovo vollständig zurück. Im Gegenzug stellte die NATO ihre Luftangriffe ein. In diesen drei Monaten gerieten die Bemühungen der TREND-Redaktion für eine basisdemokratisch organisierte Partisan.net-Internetpräsenz in den Hintergrund, denn die Redaktionsarbeit konzentrierte sich ganz auf die „KOSOVO-Antikriegsseite“. Dort wurden nicht nur täglich aktualisierte Termine der Friedensbewegung bekanntgegeben, sondern auch auf etwa 50 linke&radikale Internetseiten und deren Antikriegsaktivitäten verwiesen. Desweiteren entstand ein Archiv mit rund 330 Beiträgen, bestehend aus Texten, die bei TREND täglich zum Kosovo-Krieg veröffentlicht worden waren. Außerdem wurden exklusiv „Dokumente der Kriegstreiberei“ veröffentlicht (9). Diese journalistischen Erfahrungen bildeten übrigens in den folgenden TREND-Jahren die Grundlage, um anlassbezogen zusammenfassende Berichte über soziale Bewegungen in einzelnen Ländern zu erstellen(10).

Im Juni sollte das „Partisan-Bündnis“ aufgrund entsprechender Informationen durch die INTERIM Nr. 476 einer Prüfung der politischen Tauglichkeit seiner basisdemokratischen Strukturen unterworfen werden: Bernd Rabehl, einst ein wichtiger SDS-Theoretiker der 1968er Bewegung, erlebte nach dem Benno Ohnesorg-Kongress ein rassistisch-völkisches Coming-Out (11). Die „Kalaschnikow-Leute“, die teilweise bei ihm studierten, schlossen sich dieser Wendung nach rechts an und publizierten Rabehls neueste Ergüsse nicht nur in ihrer Zeitung, sondern vor allem virtuell auf ihrer Kalaschnikow-Homepage, die Teil des Partisan.net war (12). Als Teil in einem antifaschistischen und antirassistischen Ganzen wollten sie gezielt dort rechtes Gedankengut verbreiten und eine politische Wende im „Partisan.net“ herbeiführen. Damit wurde der linke strömungsübergreifende Konsens des Projekts bewußt gebrochen. Die beiden Domain-Verantwortlichen Schöttler und Schubert reagierten sofort und kündigten den Kalaschnikow-Account zum 31.Juli 1999.

Um eine Revision der Entscheidung herbeizuführen, rief die Kalaschnikow-Gruppe zu einer Mitgliederversammlung des Partisan-Gründungsvereins auf, wo der Verein gegründet und von ihnen übernommen werden sollte. Diese Zusammenkunft fand jedoch ohne den Gründungsvorsitzenden statt, der dazu auch nicht eingeladen hatte, weil er zuvor sein Amt niedergelegt hatte. Das Treffen brachte nichts zustande, außer die Auflösung des Gründungsvereins zu beschließen, denn als Ersatz stand für die Kalaschnikow deren eigene Domain „Revolte.net“ bereit. Dazu erschien bei TREND im September 1999 eine Einschätzung, die das „Revolte.net“ politisch am rechten Rand einordnete (13). Am 25. November 1999 erreichte der Revolte.net-Verantwortliche eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht gegen das Partisan.net zur Löschung dieses Textes. Dagegen beantragte Karl-Heinz Schubert als Partisan.net-Administrator beim Landgericht Berlin die Aufhebung der Verfügung, der am 25.Januar 2000 stattgegeben wurde.

Nachdem das Experiment mit diesen basisdemokratischen Strukturen gescheitert war, löste sich zum Jahresende 1999 die GBR auf. Dadurch verblieb die Verfügungsgewalt über das Partisan.net bei Schöttler als „Registrant“ sowie Schubert als Eigentümer und gleichzeitiger „Admin“. Doch zuvor waren noch klärende Aussprachen unter den Partisan:innen durchgeführt worden, in denen webtechnische Regelungen gefunden wurde, die von allen Partisan:innen akzeptiert wurden:

„Alle Projekte werden ab 1.1.2000 wie der trend über eigenen Webspace verfügen, der rein eigenverantwortlich verwaltet wird. Partisan.net wird dann nur noch ein redirecteter Zusammenschluss sein, d.h. Projekte oder Einzelpersonen benutzen mit eigener Technix das Partisan.net nur noch als politisches Label. Zusammenarbeit "im wirklichen Leben" ergibt sich zukünftig nicht mehr wie bisher aus monatlichen Meetings zur Besprechung webtechnischer Fragen, sondern es kommen die Leute zusammen, die praktisch politisch miteinander arbeiten und diskutieren wollen.“ (14)

Schlussendlich blieben alle bisherigen Partisan-Websites trotz relativer Autonomie ein Teil vom Ganzen, wobei die TREND-Redaktion als deren webtechnische Kontaktstelle fungierte und sich um die finanzielle Absicherung kümmerte.
      

nach oben